Alpenwelt.TV - Interview https://alpenwelt-tv.de/index.php/gesundheit/interview.feed 2024-05-02T06:44:02+02:00 Joomla! - Open Source Content Management Die Droge der Natur – Sex als Mosaikstein für Gesundheit und Wohlbefinden - Interview mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat 2015-08-05T17:33:32+02:00 2015-08-05T17:33:32+02:00 https://alpenwelt-tv.de/index.php/gesundheit/interview/246-gesundheit-im-interview/618-die-droge-der-natur-sex-als-mosaikstein-fuer-gesundheit-und-wohlbefinden-interview-mit-der-aerztin-und-sexualtherapeutin-dr-jutta-kossat.html Petra Wagner wagner@text-fabrik.de <div class="feed-description"><p><em><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Blume_violett_kl.jpg" alt="Blume violett kl" width="350" height="332" style="margin-right: 10px; float: left;" /></em></p> <p>Alpenwelt.TV hat in Kooperation mit <a href="http://www.koeln-insight.tv" target="_blank">Köln-Insight.TV</a> eine Radio-Interviewserie "Kölner SexTalk" mit der Priener Paar- und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat geführt - hier für alle zum Nachlesen.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wir finden uns heute zum zehnten Mal zum Gespräch ein – anschließend wird es eine kleine Sommerpause geben – für Zeit, um all die Informationen, Tipps und Ratschläge auch umzusetzen. Gibt es einen geeigneteren Zeitpunkt als die Urlaubszeit dafür? </em><br /><em>Deswegen wollen wir diese Gesprächsrunde dazu nutzen, noch mal auf die Grundpfeiler hinzuweisen. Und – Sex als Medizin, also als Mosaikstein für die Gesundheit zu betrachten. Was macht Sex gesund? Was passiert in unserem Körper beim Sex? Wieso ist Sex ein Mosaikstein für die Gesundheit? Und – ist jeder Sex immer gesund? Frau Dr. Kossat …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Beginnen wir doch bei Ihrer letzten Frage. Ist Sex immer gesund? Das ist jetzt gleich die Quintessenz der Interviewreihe.<br />Sex ist gesund, wenn ich es schaffe, mir dabei meine Grundbedürfnisse zu befriedigen. Und zwar die Bedürfnisse nach Geborgenheit, Nähe, nach Akzeptanz allgemein sowie nach Akzeptanz als Frau oder Mann, ebenso nach Sicherheit und nach dem Ich-bin-okay-so-wie-ich-bin. <br />Wenn ich mich mit all meinem Bedürfnissen, Wünschen und Fantasien dem anderen zeige und er mich trotzdem liebt. Das ist eine der größten Sorgen, die Männer und Frauen haben. Liebt sie mich, obwohl ich schnell komme? Liebt er mich, obwohl ich weniger Lust habe? Oder bin ich zu dünn, zu dick oder einfach gut, so ich bin?<br /><em>Köln-Insight.TV: Ja, das erscheint plausibel. Aber wie oder in welchen Situationen kann Sex ungesund sein?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sex kann auch äußerst ungesund, ja sogar krankmachend sein, wenn ich mich dafür verbiege. Wenn ich Reizwäsche anziehe, obwohl ich eigentlich der sportliche Typ bin. Wenn ich Viagra schlucke, obwohl es mir eigentlich widerstrebt. Wenn meine Bedürfnisse ignoriert werden oder ich es zulasse, dass sie nicht wahrgenommen werden, oder ich sie nicht ausspreche. Wenn ich es dem anderen nur recht machen will. Wenn ich also meine eigentlichen Gefühle verleugne. Und mich nur nach der Lust des anderen richte. Dann macht Sex krank und bewirkt genau das Gegenteil.<br /><em>Köln-Insight.TV: Das zieht sich durch alle Interviews durch. Sex dient einerseits der Lust und andererseits der Beziehung und wenn ich beides miteinander verknüpfen kann, ist Sex also besonders erfüllend und gesund. Sex als Form intimer Nähe, stimmt das so?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, genau so ist es gemeint. Schauen Sie sich die WHO-Definition von sexueller Gesundheit an. <br />Die WHO sagt vereinfacht: „Sexuelle Gesundheit ist untrennbar mit Gesundheit insgesamt, mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden. Sexuelle Gesundheit setzt eine positive und respektvolle Haltung zu Sexualität und sexuellen Beziehungen voraus sowie die Möglichkeit, angenehme und sichere sexuelle Erfahrungen zu machen, und zwar frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt.“ Und selbst die WHO sagt sinngemäß: „Es bleibt noch viel zu tun, um dies sicherzustellen.“<br /><em>Köln-Insight.TV: Ich hab mal gelesen, Sex sei ein Grundbedürfnis wie essen und trinken - aber noch wichtiger, wenn es ein Grundbedürfnis ist, was dann, wenn es nicht befriedigt wird?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Natürlich ist es so, dass wir nicht alle einen Partner haben, aber unsere Grundbedürfnisse bestehen fort. Die Grundbedürfnisse können wir auch befriedigen durch ehrliche Freundschaften ohne Selbstdarstellung oder einfach intime menschliche Begegnungen, indem wir Nähe zum anderen verspüren. Das soziale Netz gilt als einer der Hauptpfeiler für eine gesunde Psyche. Die Befriedigung läuft dann nicht auf der primär sexuell-körperlichen Ebene, sondern auf anderen kommunikativen Ebenen. Alle kennen, wie sehr die Umarmung einer Freundin bei Sorgen stützen kann. <br /><em>Köln-Insight.TV: Gibt es Studien, die die gesundheitsfördernde Wirkung von Sexualität bestätigen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, es gibt viele Studien, die dies bestätigen, und inzwischen ist es auch allgemein anerkannt, wie wichtig die sexuelle Gesundheit ist. Auch wenn man schon erkrankt ist oder ein chronisches Leiden hat, ist die Prognose der Erkrankung besser, wenn eine glückliche Erotik und Beziehung gelebt wird.<br />Beispielsweise schreibt Rick Miller (Brigham Young University, 2013): „Glücklich Verheiratete bleiben gesünder. Er sagt „Want to take care of your body? Take care of your marriage first.” Auch ist die Sterblichkeit von Männern deutlich geringer, wenn sie in glücklichen Beziehungen leben, zitiert John Gottmann eine Studie.<br />Selbst das Aussehen ist beeinflussbar. Eine Untersuchung von Dr. David Weeks zeigt, dass die zwischen dem 40. bis 50. Lebensjahr jünger aussehenden Frauen und Männer doppelt so viel Sex hatten.<br /><em>Köln-Insight.TV: Sex als Anti-Aging-Mittel, wie interessant und hocherfreulich. Was genau bewirkt sexuelle Aktivität in unserem Körper? Vorausgesetzt, es geht uns gut dabei?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Bei erfüllender Sexualität wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. Dieses Hormon stimuliert im Gehirn das Belohnungszentrum ähnlich wie Drogen. Oxytocin erhöht das Vertrauen und gibt ein Geborgenheitsgefühl. Und gerade für die Frauen hat es noch einen angenehmen Nebeneffekt.<br />Laut einer Studie der Universitätsklink Bonn (2013) erhöht Oxytocin die Attraktivität der Partnerin und stärkt die Monogamie!!!<br /><em>Köln-Insight.TV: O,h noch besser – heute erfahren wir ja nur schöne Dinge – Sex macht doch glücklich …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nicht nur Oxytocin, sondern auch die Endorphine, die Glückshormone, sowie Dopamin werden aktiviert. Auch die Sexualhormone werden erhöht. Die für sich alleine ja auch schon einen Anti-Aging-Effekt haben. <br />Im Gegenzug werden die Stresshormone reduziert. Und auch das für die Entspannung zuständige Nervensystem, der Parasympathikus, wird aktiviert.<br /><em>Köln-Insight.TV: Also enorm, was Sex in unserem Körper und bei den Hormonen auslöst …</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Aber nicht nur bei den Hormonen ändert sich einiges. Auch das Immunsystem wird gestärkt. Bestimmte Hirnareale werden aktiviert bzw. deaktiviert. Z. B. die präfrontale Hirnrinde wird deaktiviert, sie ist für das rationale Denken zuständig, das erklärt auch den Spruch: „Liebe macht blind“. Andere Hirnareale werden wiederum aktiviert durch Sex, z. B. die Amygdala, der Mandelkern, dadurch wird Angst reduziert, Misstrauen und Aggressionen abgebaut.<br /><em>Köln-Insight.TV: Faszinierend, was Sex in uns bewirkt und wenn wir nach gutem Sex unseren Partner in einem positiveren Licht sehen, ist das doch super – und ganz besonders gut und vor allem harmonisierend für die Beziehung oder?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, genau, glücklicher Sex schafft Vertrauen und Bindung. Sex lässt uns manche Ecken und Kanten des Partners weniger stark wahrnehmen. Probleme, die sonst da sind, werden nicht mehr so tragisch genommen. Das Leben ist insgesamt mit mehr Lebensfreude gefüllt, sozusagen eine Droge der Natur.<br /><em>Köln-Insight.TV: Na dann – was hält uns eigentlich noch ab, uns dieser legalen Droge der Natur zu bedienen, die uns doch alles verheißt: Gesundheit, Glück, Zufriedenheit und Bindung, und Bewegung verschafft sie uns auch noch. Warum ist dann nicht alles ganz einfach und wir lieben uns und haben entspannten Sex?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Na ja viele störende Bedingungen haben wir ja in den vergangenen Interviews bereits erörtert. Lassen Sie es mich nochmal so zusammenfassen. <br />Jahrhundertelang haben wir zwei Dimensionen der Sexualität betrachtet: einerseits diente Sexualität der Fortpflanzung und andererseits galt die Lustseite der Sexualität als Laster, Sünde und Krankheit.<br />Da fällt mir ein: Wissen Sie den historischen Hintergrund von den Kelloggs Cornflakes oder Graham Cracker?<br /><em>Köln-Insight.TV: Nein …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sylvester Graham war Erfinder des Grahambrotes oder der Graham Cracker. Er glaubte, dass ungesunde Ernährung zu exzessivem sexuellem Verlangen führe und das den Körper krank mache. Er hielt vegetarische Ernährung für ein gutes Mittel gegen sexuelle Lust.<br /><em>Köln-Insight.TV: Oh …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Oder John Harvey Kelloggs, der Miterfinder der Cornflakes, war überzeugt, dass das Ausleben von Sexualität krank mache und verordnete in seinem Sanatorium den Patienten zur Therapie u. a. seine Cornflakes und sexuelle Enthaltsamkeit.<br /><em>Köln-Insight.TV: Ach herrje – Gott sei Dank sind wir heute bereits etwas weiter - auf mich wirkt das wirklich wie eine Anekdote …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Natürlich wirkt das auf uns heute wie Anekdoten, aber ich bin mir sicher, diese jahrhundertelange Betrachtungsweise der Sexualität wirkt in uns auch heute noch nach. Über die Beziehung, die im sexuellen Miteinander entsteht, haben wir bisher nicht nachgedacht, selbst die 68er Generation nicht. <br />Sexualität wurde eben nicht als Form der intimen Begegnung oder Beziehung gesehen. Heute haben wir die Chance, Lust und Beziehung zu vereinen und zusammen zu erleben.<br /><em>Köln-Insight.TV: Okay, dass dieses Wissen über Generationen hinweg unbewusst weitergegeben wurde, erscheint logisch. Aber eigentlich wissen wir doch heute viel mehr, müssten wir uns nicht schon längst davon befreit haben.</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Das sind wir wieder bei einem unserer ersten Themen. Allgemein oder zusammenfassend gesagt: Die Kommerzialisierung, die Omnipräsenz und die Banalisierung von Sex dienen nicht der Erotik. Sex sells ist überall präsent. Ich kann keine Zeitschrift aufschlagen, ohne Sex-Tipps zu bekommen. Ich mache abends den Fernseher an und stolpere über BDSM-Studios und sich anbietende Frauen. Öffentliche sexuelle Inszenierungen törnen die wenigsten an. Sex ist banal geworden, selbstverständlich, ohne Emotionen. Jungs verschicken SMSen an „Fickschnitzel“ und meinen damit ihre Mädchen, witzig wohl gemeint, aber ohne jede Spur von Intimität und Erotik. <br /><em>Köln-Insight.TV: Oh das finde ich aber eher ungehört, nein, das ist nicht der richtige Weg. Und im Moment geht doch auch die Rede von einem gesellschaftlichen Wandel in Richtung Lustlosigkeit um …. hat das darin seine Ursache?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wir sehen in der Gesellschaft eine zunehmende Beziehungslosigkeit und Einsamkeit des Einzelnen. Was auch nicht förderlich für die Lust ist. Statt zwei bis drei guten Freunden haben wir ein paar Hundert belanglose Freundschaften über Facebook. <br />Dazu kommt die straffe Durchorganisation des Tages und das geringe Zeitfenster für die spontane Entwicklung von Lust – was sein Übriges ausmacht. <br /><em>Köln-Insight.TV: Und dazu gesellen sich noch die Mythen und Normen, von denen wir ja bereits gehört haben, die uns dann auch noch zusätzlich hemmen ...</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, wir sind zwar einerseits freier und auch gleichberechtigter geworden, unterliegen aber andererseits ganz neuen Zwängen. <br />Dem allgegenwärtigen Optimierungswahn unterliegen wir auch im Sexuellen. Zynisch gesagt, ein multipler Orgasmus ist das Mindeste, was jeder haben muss.<br />In der vermeintlichen sexuellen Freiheit müssen wir unsere eigenen Grenzen finden und setzen. Die sexuelle „Normalität“ gibt es nicht und auch das kann Druck erzeugen. Vermeintlich mithalten und mitreden zu müssen. So in etwa wie in der bekannten Werbung „Mein Haus, mein Auto, meine Kinder, meine Yacht ...“, hier wär noch zu ergänzen „mein Sexleben“. <br />Zu sich zu stehen und sicher zu sein: Was mag ich? Was mag ich nicht? Das ist das gesunde Motto für Sexualität. <br /><em>Köln-Insight.TV: Mit schwebt da etwas ganz anderes vor, dass wir unseren Zuhörer gerne mit auf den Weg geben wollen: Erlauben Sie sich den Traum von der romantischen Liebe zu einem Partner voller leidenschaftlicher Erotik bis zum Lebensende. Er könnte wahr werden … In diesem Sinne eine wunderbar sinnliche Nacht nach Köln.</em></p></div> <div class="feed-description"><p><em><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Blume_violett_kl.jpg" alt="Blume violett kl" width="350" height="332" style="margin-right: 10px; float: left;" /></em></p> <p>Alpenwelt.TV hat in Kooperation mit <a href="http://www.koeln-insight.tv" target="_blank">Köln-Insight.TV</a> eine Radio-Interviewserie "Kölner SexTalk" mit der Priener Paar- und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat geführt - hier für alle zum Nachlesen.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wir finden uns heute zum zehnten Mal zum Gespräch ein – anschließend wird es eine kleine Sommerpause geben – für Zeit, um all die Informationen, Tipps und Ratschläge auch umzusetzen. Gibt es einen geeigneteren Zeitpunkt als die Urlaubszeit dafür? </em><br /><em>Deswegen wollen wir diese Gesprächsrunde dazu nutzen, noch mal auf die Grundpfeiler hinzuweisen. Und – Sex als Medizin, also als Mosaikstein für die Gesundheit zu betrachten. Was macht Sex gesund? Was passiert in unserem Körper beim Sex? Wieso ist Sex ein Mosaikstein für die Gesundheit? Und – ist jeder Sex immer gesund? Frau Dr. Kossat …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Beginnen wir doch bei Ihrer letzten Frage. Ist Sex immer gesund? Das ist jetzt gleich die Quintessenz der Interviewreihe.<br />Sex ist gesund, wenn ich es schaffe, mir dabei meine Grundbedürfnisse zu befriedigen. Und zwar die Bedürfnisse nach Geborgenheit, Nähe, nach Akzeptanz allgemein sowie nach Akzeptanz als Frau oder Mann, ebenso nach Sicherheit und nach dem Ich-bin-okay-so-wie-ich-bin. <br />Wenn ich mich mit all meinem Bedürfnissen, Wünschen und Fantasien dem anderen zeige und er mich trotzdem liebt. Das ist eine der größten Sorgen, die Männer und Frauen haben. Liebt sie mich, obwohl ich schnell komme? Liebt er mich, obwohl ich weniger Lust habe? Oder bin ich zu dünn, zu dick oder einfach gut, so ich bin?<br /><em>Köln-Insight.TV: Ja, das erscheint plausibel. Aber wie oder in welchen Situationen kann Sex ungesund sein?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sex kann auch äußerst ungesund, ja sogar krankmachend sein, wenn ich mich dafür verbiege. Wenn ich Reizwäsche anziehe, obwohl ich eigentlich der sportliche Typ bin. Wenn ich Viagra schlucke, obwohl es mir eigentlich widerstrebt. Wenn meine Bedürfnisse ignoriert werden oder ich es zulasse, dass sie nicht wahrgenommen werden, oder ich sie nicht ausspreche. Wenn ich es dem anderen nur recht machen will. Wenn ich also meine eigentlichen Gefühle verleugne. Und mich nur nach der Lust des anderen richte. Dann macht Sex krank und bewirkt genau das Gegenteil.<br /><em>Köln-Insight.TV: Das zieht sich durch alle Interviews durch. Sex dient einerseits der Lust und andererseits der Beziehung und wenn ich beides miteinander verknüpfen kann, ist Sex also besonders erfüllend und gesund. Sex als Form intimer Nähe, stimmt das so?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, genau so ist es gemeint. Schauen Sie sich die WHO-Definition von sexueller Gesundheit an. <br />Die WHO sagt vereinfacht: „Sexuelle Gesundheit ist untrennbar mit Gesundheit insgesamt, mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden. Sexuelle Gesundheit setzt eine positive und respektvolle Haltung zu Sexualität und sexuellen Beziehungen voraus sowie die Möglichkeit, angenehme und sichere sexuelle Erfahrungen zu machen, und zwar frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt.“ Und selbst die WHO sagt sinngemäß: „Es bleibt noch viel zu tun, um dies sicherzustellen.“<br /><em>Köln-Insight.TV: Ich hab mal gelesen, Sex sei ein Grundbedürfnis wie essen und trinken - aber noch wichtiger, wenn es ein Grundbedürfnis ist, was dann, wenn es nicht befriedigt wird?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Natürlich ist es so, dass wir nicht alle einen Partner haben, aber unsere Grundbedürfnisse bestehen fort. Die Grundbedürfnisse können wir auch befriedigen durch ehrliche Freundschaften ohne Selbstdarstellung oder einfach intime menschliche Begegnungen, indem wir Nähe zum anderen verspüren. Das soziale Netz gilt als einer der Hauptpfeiler für eine gesunde Psyche. Die Befriedigung läuft dann nicht auf der primär sexuell-körperlichen Ebene, sondern auf anderen kommunikativen Ebenen. Alle kennen, wie sehr die Umarmung einer Freundin bei Sorgen stützen kann. <br /><em>Köln-Insight.TV: Gibt es Studien, die die gesundheitsfördernde Wirkung von Sexualität bestätigen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, es gibt viele Studien, die dies bestätigen, und inzwischen ist es auch allgemein anerkannt, wie wichtig die sexuelle Gesundheit ist. Auch wenn man schon erkrankt ist oder ein chronisches Leiden hat, ist die Prognose der Erkrankung besser, wenn eine glückliche Erotik und Beziehung gelebt wird.<br />Beispielsweise schreibt Rick Miller (Brigham Young University, 2013): „Glücklich Verheiratete bleiben gesünder. Er sagt „Want to take care of your body? Take care of your marriage first.” Auch ist die Sterblichkeit von Männern deutlich geringer, wenn sie in glücklichen Beziehungen leben, zitiert John Gottmann eine Studie.<br />Selbst das Aussehen ist beeinflussbar. Eine Untersuchung von Dr. David Weeks zeigt, dass die zwischen dem 40. bis 50. Lebensjahr jünger aussehenden Frauen und Männer doppelt so viel Sex hatten.<br /><em>Köln-Insight.TV: Sex als Anti-Aging-Mittel, wie interessant und hocherfreulich. Was genau bewirkt sexuelle Aktivität in unserem Körper? Vorausgesetzt, es geht uns gut dabei?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Bei erfüllender Sexualität wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. Dieses Hormon stimuliert im Gehirn das Belohnungszentrum ähnlich wie Drogen. Oxytocin erhöht das Vertrauen und gibt ein Geborgenheitsgefühl. Und gerade für die Frauen hat es noch einen angenehmen Nebeneffekt.<br />Laut einer Studie der Universitätsklink Bonn (2013) erhöht Oxytocin die Attraktivität der Partnerin und stärkt die Monogamie!!!<br /><em>Köln-Insight.TV: O,h noch besser – heute erfahren wir ja nur schöne Dinge – Sex macht doch glücklich …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nicht nur Oxytocin, sondern auch die Endorphine, die Glückshormone, sowie Dopamin werden aktiviert. Auch die Sexualhormone werden erhöht. Die für sich alleine ja auch schon einen Anti-Aging-Effekt haben. <br />Im Gegenzug werden die Stresshormone reduziert. Und auch das für die Entspannung zuständige Nervensystem, der Parasympathikus, wird aktiviert.<br /><em>Köln-Insight.TV: Also enorm, was Sex in unserem Körper und bei den Hormonen auslöst …</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Aber nicht nur bei den Hormonen ändert sich einiges. Auch das Immunsystem wird gestärkt. Bestimmte Hirnareale werden aktiviert bzw. deaktiviert. Z. B. die präfrontale Hirnrinde wird deaktiviert, sie ist für das rationale Denken zuständig, das erklärt auch den Spruch: „Liebe macht blind“. Andere Hirnareale werden wiederum aktiviert durch Sex, z. B. die Amygdala, der Mandelkern, dadurch wird Angst reduziert, Misstrauen und Aggressionen abgebaut.<br /><em>Köln-Insight.TV: Faszinierend, was Sex in uns bewirkt und wenn wir nach gutem Sex unseren Partner in einem positiveren Licht sehen, ist das doch super – und ganz besonders gut und vor allem harmonisierend für die Beziehung oder?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, genau, glücklicher Sex schafft Vertrauen und Bindung. Sex lässt uns manche Ecken und Kanten des Partners weniger stark wahrnehmen. Probleme, die sonst da sind, werden nicht mehr so tragisch genommen. Das Leben ist insgesamt mit mehr Lebensfreude gefüllt, sozusagen eine Droge der Natur.<br /><em>Köln-Insight.TV: Na dann – was hält uns eigentlich noch ab, uns dieser legalen Droge der Natur zu bedienen, die uns doch alles verheißt: Gesundheit, Glück, Zufriedenheit und Bindung, und Bewegung verschafft sie uns auch noch. Warum ist dann nicht alles ganz einfach und wir lieben uns und haben entspannten Sex?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Na ja viele störende Bedingungen haben wir ja in den vergangenen Interviews bereits erörtert. Lassen Sie es mich nochmal so zusammenfassen. <br />Jahrhundertelang haben wir zwei Dimensionen der Sexualität betrachtet: einerseits diente Sexualität der Fortpflanzung und andererseits galt die Lustseite der Sexualität als Laster, Sünde und Krankheit.<br />Da fällt mir ein: Wissen Sie den historischen Hintergrund von den Kelloggs Cornflakes oder Graham Cracker?<br /><em>Köln-Insight.TV: Nein …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sylvester Graham war Erfinder des Grahambrotes oder der Graham Cracker. Er glaubte, dass ungesunde Ernährung zu exzessivem sexuellem Verlangen führe und das den Körper krank mache. Er hielt vegetarische Ernährung für ein gutes Mittel gegen sexuelle Lust.<br /><em>Köln-Insight.TV: Oh …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Oder John Harvey Kelloggs, der Miterfinder der Cornflakes, war überzeugt, dass das Ausleben von Sexualität krank mache und verordnete in seinem Sanatorium den Patienten zur Therapie u. a. seine Cornflakes und sexuelle Enthaltsamkeit.<br /><em>Köln-Insight.TV: Ach herrje – Gott sei Dank sind wir heute bereits etwas weiter - auf mich wirkt das wirklich wie eine Anekdote …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Natürlich wirkt das auf uns heute wie Anekdoten, aber ich bin mir sicher, diese jahrhundertelange Betrachtungsweise der Sexualität wirkt in uns auch heute noch nach. Über die Beziehung, die im sexuellen Miteinander entsteht, haben wir bisher nicht nachgedacht, selbst die 68er Generation nicht. <br />Sexualität wurde eben nicht als Form der intimen Begegnung oder Beziehung gesehen. Heute haben wir die Chance, Lust und Beziehung zu vereinen und zusammen zu erleben.<br /><em>Köln-Insight.TV: Okay, dass dieses Wissen über Generationen hinweg unbewusst weitergegeben wurde, erscheint logisch. Aber eigentlich wissen wir doch heute viel mehr, müssten wir uns nicht schon längst davon befreit haben.</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Das sind wir wieder bei einem unserer ersten Themen. Allgemein oder zusammenfassend gesagt: Die Kommerzialisierung, die Omnipräsenz und die Banalisierung von Sex dienen nicht der Erotik. Sex sells ist überall präsent. Ich kann keine Zeitschrift aufschlagen, ohne Sex-Tipps zu bekommen. Ich mache abends den Fernseher an und stolpere über BDSM-Studios und sich anbietende Frauen. Öffentliche sexuelle Inszenierungen törnen die wenigsten an. Sex ist banal geworden, selbstverständlich, ohne Emotionen. Jungs verschicken SMSen an „Fickschnitzel“ und meinen damit ihre Mädchen, witzig wohl gemeint, aber ohne jede Spur von Intimität und Erotik. <br /><em>Köln-Insight.TV: Oh das finde ich aber eher ungehört, nein, das ist nicht der richtige Weg. Und im Moment geht doch auch die Rede von einem gesellschaftlichen Wandel in Richtung Lustlosigkeit um …. hat das darin seine Ursache?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wir sehen in der Gesellschaft eine zunehmende Beziehungslosigkeit und Einsamkeit des Einzelnen. Was auch nicht förderlich für die Lust ist. Statt zwei bis drei guten Freunden haben wir ein paar Hundert belanglose Freundschaften über Facebook. <br />Dazu kommt die straffe Durchorganisation des Tages und das geringe Zeitfenster für die spontane Entwicklung von Lust – was sein Übriges ausmacht. <br /><em>Köln-Insight.TV: Und dazu gesellen sich noch die Mythen und Normen, von denen wir ja bereits gehört haben, die uns dann auch noch zusätzlich hemmen ...</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, wir sind zwar einerseits freier und auch gleichberechtigter geworden, unterliegen aber andererseits ganz neuen Zwängen. <br />Dem allgegenwärtigen Optimierungswahn unterliegen wir auch im Sexuellen. Zynisch gesagt, ein multipler Orgasmus ist das Mindeste, was jeder haben muss.<br />In der vermeintlichen sexuellen Freiheit müssen wir unsere eigenen Grenzen finden und setzen. Die sexuelle „Normalität“ gibt es nicht und auch das kann Druck erzeugen. Vermeintlich mithalten und mitreden zu müssen. So in etwa wie in der bekannten Werbung „Mein Haus, mein Auto, meine Kinder, meine Yacht ...“, hier wär noch zu ergänzen „mein Sexleben“. <br />Zu sich zu stehen und sicher zu sein: Was mag ich? Was mag ich nicht? Das ist das gesunde Motto für Sexualität. <br /><em>Köln-Insight.TV: Mit schwebt da etwas ganz anderes vor, dass wir unseren Zuhörer gerne mit auf den Weg geben wollen: Erlauben Sie sich den Traum von der romantischen Liebe zu einem Partner voller leidenschaftlicher Erotik bis zum Lebensende. Er könnte wahr werden … In diesem Sinne eine wunderbar sinnliche Nacht nach Köln.</em></p></div> Visuelle Anreize – Pornographie als Stimulus - Interview mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat 2015-08-05T17:21:22+02:00 2015-08-05T17:21:22+02:00 https://alpenwelt-tv.de/index.php/gesundheit/interview/246-gesundheit-im-interview/617-visuelle-anreize-pornographie-als-stimulus-interview-mit-der-aerztin-und-sexualtherapeutin-dr-jutta-kossat.html Petra Wagner wagner@text-fabrik.de <div class="feed-description"><p><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Aster_beschn.KL.jpg" alt="Aster beschn.KL" width="350" height="334" style="margin-right: 10px; float: left;" />Alpenwelt.TV führte für <a href="http./www.koeln-insight.tv" target="_blank">Köln-Insight.TV</a> spannende Gespäche mit <a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de/" target="_blank">Dr. Jutta Kossat</a>, Sexualtherapeutin in Prien. Zu hören im dortigen Radio und zum Nachlesen hier.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: In unseren bisherigen Gesprächen haben wir immer ein Thema ausgeklammert: die Pornographie. In einem Interview kam kurz die Jugendsexualität im Zeitalter des Internets zur Sprache – heute wollen wir uns der Pornographie im Wandel der Zeit widmen. Und natürlich die Unterschiede zwischen Frauen und Männer betrachten. Was bedeutet Pornographie für Männer, was für Frauen? Welche Problematiken bestehen? Aber auch Zahlen und Fakten. Um uns auf das Thema einzustimmen, haben Frau Dr. Kossat und ich einen Außentermin wahrgenommen – und eine Videothek besucht und uns mit einer sehr netten jungen Angestellten über die Nutzung dieser Filme unterhalten.</em><br /><em>Fangen wir doch mal mit was ganz Banalem an. Warum schauen sich Männer – heute wie damals – so gerne Bilder von nackten Frauen an? Wieso haben viele Männer so oft Pin-up-Girls an ihren Wänden hängen – hingegen wir Frauen nicht die Traumbodys von irgendwelchen Typen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Männer sind durch Brust und Genitalien der Frauen, auch isoliert betrachtet, relativ schnell erregbar. Ein Blick auf einen leicht bekleideten oder unbekleideten Busen und schon können Männer eine Erektion verspüren. Im Gegenzug verspüren Frauen keine Erregung durch den Blick nur auf einen Penis. Da braucht es mehr an Beziehung und noch vieles andere. Das ist so und ist wertfrei zu betrachten. Die Betrachtung pornographischer Bilder oder Filme dienen dem Mann zur leichteren Erregung bei der Selbstbefriedigung.<br /><em>Köln-Insight.TV: Ja gut zur Selbstbefriedigung – wenn aber die aufreizenden Bilder jetzt so an der Wand hängen – wollen Männer immer zu jeder Tageszeit und zu jeder Gelegenheit in erregtem Zustand sein, das kann doch auch stören …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Es hängen ja nicht überall nackte Damen zur Anregung. Und sicher geraten Männern nicht bei jeder nackten Gestalt in einen erregten Zustand. Aber ich denke, ich bin allerdings kein Mann, es ist ihnen angenehm eine nackte Frau anzusehen, so wie wir Blumen auf den Tisch stellen. Einfach hübsch.<br /><em>Köln-Insight.TV: Ok – heute ist es via Internet ja sehr leicht, an entsprechendes Material zu kommen. Wie war das davor?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Gehen wir doch noch etwas weiter zurück. In dem seit 2014 geschlossenen Beate-Uhse-Museum in Berlin konnte man erotisches Material aus aller Welt und aus allen Zeiten betrachten. Es ging von asiatischen Bildrollen über afrikanische Masken bis hin zum japanischen Phallus-Schrein und erotischen Zeichnungen. Früher gab es kleine klappbare Miniaturnacktgemälde. Der älteste erhaltene Erotikfilm stammt aus 1896 und zeigt einen Striptease. Heute gilt der Pornofilm im Internet als Hauptmedium.<br /><em>Köln-Insight.TV: Das heißt, das Bedürfnis des Mannes nach erotischem Anschauungsmaterial gab es schon immer. Wie war es mit Frauen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Auch Frauen schauten und schauen sich schon immer pornographische Darstellungen an.<br />Selbst Katharina der Großen wird nachgesagt, dass sie in ihrer Sommerresidenz ein erotisches Kabinett eingerichtet hatte, z. B. mit einem Tisch, der auf einem ejakulierenden Penis ruht.<br /><em>Köln-Insight.TV: Oh wie pikant – Sie sagen, das Hauptmedium ist heute das Internet. Das bestätigte uns auch die Angestellte der Videothek, in der wir recherchierten. Sie bestätigte, dass Filme zum Ausleihen immer weniger verlangt werden. Was für Material erwartet uns im Internet?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die meisten Zuhörer werden das wohl wissen. Aber für die Personen, die sich noch nie darüber informiert haben, hier kurz einige Sachinformationen. <br />Ohne Nachprüfen des Alters oder Identifizierung kann man kostenlos verschiedene Internet-Plattformen anklicken. Die meisten von ihnen zeigen Videoclips mit Nahaufnahmen von vaginalem, oralem und analem Verkehr. Im Grunde laufen die meisten nach dem gleichen Schema ab. Es können aber verschiedene Kategorien gewählt werden, ziemlich jede Kategorie, die man sich vorstellen kann, oder ehrlich gesagt, solche, die man sich manchmal auch lieber nicht vorstellt.<br /><em>Köln-Insight.TV: Können Sie uns etwas zu den Zahlen der Internet-User sagen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Also wie immer gibt es natürlich unterschiedliche Studien und damit verschiedene Zahlen. Aber nach meinen eigenen Schätzungen in der Praxis kann ich sagen, dass sich fast alle Männer hin und wieder pornographische Clips anschauen. Dass ein Mann sagt, nein, das mache ich nie, das interessiert mich nicht, kommt vor, aber selten. Genau umgekehrt ist es bei den Frauen.<br />Laut Statistiken sind ca. 70 Prozent der Porno-User im Internet männlich und 30 Prozent weiblich. Nach meiner Schätzung sind es noch weniger Frauen. 70 Prozent der Männer zwischen 18 und 24 besuchen monatlich eine Pornoseite, bei den Frauen ist es jede Dritte (laut Blog OnlineMBA.com).<br />Im Netz beziehen sich 25 Prozent aller Anfragen auf pornographisches Material. Etwa 35 Prozent des gesamten Datenverkehrs im Internet ist Pornographie. <br /><em>Köln-Insight.TV: Weiß man, zu welchen Uhrzeiten die meisten Klicks sind?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Da gibt es unterschiedliche Aussagen. 70 Prozent der Porno-Daten werden an Werktagen von 9 bis 17 Uhr angeklickt, also zu den gängigen Arbeitszeiten. Ich habe noch gelernt, die meisten Klicks sind mittags um 12 Uhr und abends. <br /><em>Köln-Insight.TV: Also in der Mittagspause und nach Feierabend – ok, wird dabei masturbiert oder warum schauen sich die Männer das an?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, die pornographischen Clips dienen zur Erregung bei der Masturbation. Das ist sicher bei beiden Geschlechtern so.<br />Es kommt sicher auch mal vor, dass sich v. a. Frauen Pornographie aus reiner Neugierde anschauen, es aber eher eklig finden.<br /><em>Köln-Insight.TV: Wie lange bleiben die Männer durchschnittlich bei diesen Clips?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die durchschnittliche Betrachtungszeit ist circa zehn Minuten, in denen rund zehn Seiten angeklickt werden.<br /><em>Köln-Insight.TV: Woher stammen diese Porno-Clips?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nur vier Prozent dieser Porno-Seiten stammen aus Deutschland, 89 Prozent aus den USA.<br /><em>Köln-Insight.TV: Wie sieht es denn mit den Paaren aus? Wie nutzen die solche pornographischen Filme?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Auch Paare schauen sich Pornographie an. Paare und Frauen schauen sich aber weniger Videoclips aus dem Internet an, sondern eher Filme mit einer marginalen Handlung. <br />Tendenziell neigen Frauen dazu, sich eher hochwertigere Filme anzuschauen, also Filme mit besserer filmischer Qualität und edlerem Ambiente. Es gibt extra Filme für Paare und Frauen.<br /><em>Köln-Insight.TV: Männer und Frauen bevorzugen also unterschiedliche Art von Sexfilmen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ein Videoladenbesitzer hat mir erzählt, Männer kaufen sich vorwiegend die billigen, für paar Tausend Euro produzierten Filme aus dem Osten an; Frauen hingegen kaufen sich eher teurere Filme mit guten Einstellungen.<br />In meiner Praxis erzählen die meisten Frauen, sie schauen sich gar keine pornographischen Filme an, sondern, wenn sie überhaupt Filme zur erotischen Einstimmung anschauen würden, dann eher Liebesfilme oder vielleicht leicht erotisch eingefärbte Filme.<br /><em>Köln-Insight.TV: Ok, Rosamunde Pilcher verhilft also Frauen zu sexueller Stimulation? Interessant! Die meisten Frauen sind also doch noch immer hochromantisch. Dazu fällt mir jetzt ein Witz ein, der mir irre gut gefällt und auch ganz gut an diese Stelle passt: Warum schauen sich die Frauen Pornos immer bis zum Schluss an? Weil sie glauben, dass am Ende geheiratet wird.</em> <br />Gut wir hören also, dass Männer wie Frauen Pornos schauen, wenn auch mit unterschiedlichen Vorlieben – das ist wertfrei. Aber – welche Probleme können durch den Konsum von Pornographie entstehen?<br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wir müssen hier unterscheiden zwischen Nutzer im jugendlichen oder kindlichen und dem erwachsenen Alter.<br />Ganz klar, in kindlichem Alter haben pornographische Bilder nichts verloren. Ist heute aber leider kaum zu vermeiden, da schon Sechsjährige ungewollt von Freunden oder älteren Geschwistern pornographische Bilder auf ihr Handy geschickt bekommen. Geht gar nicht. <br /><em>Köln-Insight.TV: Wie verhält es sich bei Jugendlichen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Da möchte ich wie in einem früheren Interview auf die BZGA-Studie verweisen, die im Grunde aussagt, dass die Jugendlichen relativ verantwortungsbewusst und kompetent damit umgehen.<br />Aber klar ist, dass wir nicht wissen, wie es sich auswirkt, wenn eine Generation Sexualität v. a. durch Anschauen und nicht durch Ausprobieren kennenlernt. In den Clips oder Filmen gibt es keinerlei oder praktisch keine Zärtlichkeit. Ob dies als Vorbildfunktion Probleme mit sich bringt, wissen wir noch nicht, dies wird aber manchmal auch als Begründung für die abnehmende Lust herangezogen.<br />Aus der Praxis sind mir Fälle bekannt, in denen Jugendliche regelrecht schockiert sind von den pornographischen Bildern, die andere ihnen zeigen, und sie hilflos sind, wie sie damit umgehen sollen. <br /><em>Köln-Insight.TV: Wie sollen Eltern damit umgehen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Eltern haben davon meist keine Ahnung. Wichtig ist, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, mit ihnen in Kontakt sei und bleiben. Meist sind die Eltern wenig informiert, was da läuft. Sie sollten sich also erst mal von den Jugendlichen zeigen lassen, was alles so in Umlauf ist und dann mit ihnen reden, aber eher nach dem Motto: fragen statt sagen.<br /><em>Köln-Insight.TV: Was läuft denn da jetzt so bei den Kids – geben Sie uns doch einen ersten Einblick.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wobei ich auch nicht der Internet-Spezialist bin. Es gibt zum Beispiel die „Blogging Plattform Tumblr“. Sie stammt aus den USA. Hier wird sie nicht so sehr genutzt, nur 3,5 Prozent der User stammen aus Deutschland. Dort ist es möglich, pornographische Bilder oder Videos zu posten ohne Alterskontrolle. Für die meisten Jugendlichen ist es wahrscheinlich kein Problem, aber es kann auch vorkommen, dass gerade Mädchen an Bilder geraten, die sie schockieren und ihnen einfach nicht gut tun – und da heißt es dann, Stellung zu beziehen als Eltern. Erst herauszufinden, warum schaut sie sich das an, ist das cool, in der Peergruppe angesagt und wie geht es ihr damit? <br /><em>Köln-Insight.TV: Wie ist es jetzt mit den Erwachsenen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Für die Pornographie gilt die Regel, die auch sonst für die Sexualität gilt. Je seelenloser die Sexualität gelebt wird, umso höher muss mit der Zeit der sexuelle Reiz werden, um noch den ultimativen Kick auszulösen. Das ist das eine. <br />Das andere ist, automatisch läuft beim Betrachten von pornographischem Material ein Abgleich zu sich selbst ab. Wie sehe ich aus im Vergleich zu dem Schauspieler? Das könnte zum Problem für das Selbstwertgefühl werden. <br />Dazu muss man allerdings sagen, inzwischen sind die Darsteller im Porno-Clip nicht unbedingt sehr ästhetisch, also ist dies vielleicht immer weniger ein Problem.<br /><em>Köln-Insight.TV: Sie erwähnten in unserem Vorgespräch etwas von einer Studie?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja. Auf dem sexualmedizinischen Kongress 2012 in Salzburg wurde eine interessante Studie vorgestellt, die hierzu gut passt. Männern wurden einmal Fotos von Models und einmal Fotos von ganz normalen Frauen vorgelegt. Danach wurde jeweils das Foto der eigenen Partnerin beurteilt. Die Männer, die vorher die Models betrachtet hatten, schätzten die Attraktivität ihrer Frauen anschließend geringer ein als die Männer, die vorher normale Frauen angeschaut hatten. Die Interpretation überlassen wir den Zuhörern.<br /><em>Köln-Insight.TV: Welche Probleme durch Pornographie kennen Sie aus Ihrer Praxis?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Aus der Praxis kenne ich zwei Hauptprobleme. <br />Einmal – die Frauen entdecken, dass ihre Partner Pornos anschauen und finden es eklig und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Richtig problematisch wird es, wenn der Partner die Internet-Pornographie dem realen Sex mit der Partnerin vorzieht. Dann stimmt es definitiv in der Beziehung nicht mehr.<br />Das andere Hauptproblem ist, dass Männer Sexualtechniken im Videoclip sehen, die sie dann mit ihrer Partnerin nachahmen möchten. Die Partnerin empfindet dies nicht als ein gemeinsames Entdecken der Sexualität, fühlt sich also nicht wahrgenommen, sondern hat nur das Gefühl, etwas nachmachen zu müssen – und das geht natürlich schief. <br /><em>Köln-Insight.TV: Soll das bedeuten, dass Frauen weniger ausprobieren möchten?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nein, es ist nicht so, dass Frauen weniger neugierig sind als Männer, aber Frauen brauchen das Gefühl, es geht um sie und nicht um die Erfüllung oder Bedienung der männlichen Lust. <br />Um da ist noch etwas genauer zu beleuchten: Für die Männern ist es nicht so, dass sie unbedingt die eine oder andere Sextechnik brauchen, sondern für sie kann es eher eine Art Liebesbeweis sein. So in dem Sinne: Wenn meine Frau das mit mir macht, dann liebt sie mich wirklich. <br /><em>Köln-Insight.TV: Als Liebesbeweis – okay, so hab ich das auch noch nicht betrachtet – interessant …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sie sehen, die Sexualität ist manchmal nicht ganz einfach und oft steckt was ganz anderes dahinter, als man zunächst denkt.<br /><em>Köln-Insight.TV: Ja, deshalb führen wir ja auch diese Gespräch, um mehr zu erfahren, wie das andere Geschlecht tickt. </em><br /><em>Wie schaut es nun mit der sogenannten Pornosucht aus. Wann spricht man davon und kommt sie auch bei Personen vor, die in festen Beziehungen leben?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Zunächst vielleicht eine kurze Begriffsdefinition. Pornosucht ist der umgangssprachliche Begriff für exzessive Nutzung der Internet-Pornographie verbunden mit einem persönlichen Leidensdruck. Das heißt der Konsument von Pornographie leidet darunter. So lautet die Definition, weil die subjektive Vorstellung, wie viel ist denn zu viel, sehr unterschiedlich ist.<br />Jetzt zu ihrer Frage. Ja, es gibt die Pornosucht auch in festen Beziehungen. Die Sucht kann Ausdruck einer Beziehungsstörung sein bzw. führt umgekehrt auch zur einer Beziehungsstörung. Wobei Pornosucht v. a. bei 25- bis 30-jährigen Männern auftritt.<br /><em>Köln-Insight.TV: Wie kann man den von einer Pornosucht betroffenen Männern helfen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sie formulieren es schon richtig. Pornosucht betrifft praktisch nur Männer. Als erstes sollten sie sich professionelle Hilfe suchen, am besten einen Psychotherapeuten mit sexualmedizinischer Zusatzausbildung.<br />Dann gilt es, als ersten Schritt herauszufinden, was kann er vom Kopf her machen, um die Sucht einzugrenzen. <br />Zunächst muss die Entscheidung getroffen werden, die Sucht stoppen zu wollen. Die Verantwortung bei sich selbst lassen. Z. B. bei Stress in der Arbeit, sich nicht zu sagen, der Chef war so unfair, dafür belohne ich mich mit zwei Stunden Porno. <br />Sich seine Ressourcen bewusst machen. Das heißt, was mache ich sonst gerne, und diese Punkte zu stärken. Und sich auf die Beziehung fokussieren. <br /><em>Köln-Insight.TV: Und wahrscheinlich wie bei anderen Süchten auch, muss eine Karenz erfolgen, also alle pornographischen Bilder müssen gemieden werden?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, es kann sinnvoll sein, einen Pornofilter in den PC einzubauen und unter Umständen nicht mal mehr ein Magazin wie den Playboy o. Ä. anzuschauen. <br />Auch medikamentöse Unterstützung kann manchmal notwendig sein, um die Libido erst mal zu dämpfen.<br /><em>Köln-Insight.TV: Jetzt haben wir die ganze Zeit von den negativen Auswirkungen der Pornographie gesprochen. Gibt es denn auch positive Aspekte?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Untersuchungen gibt es hierzu keine. Das wäre sicher interessant, da ich in meiner Praxis oft erlebe, dass die Internet-Nutzung für viele Menschen zum sexuellen Alltag gehört, ohne dabei mit der reellen Sexualität zu kollidieren. <br />Ich denke, mit der Pornographie ist es, wie mit vielen anderen Dingen im Leben auch, es kommt alles auf das Ausmaß und das Niveau an. Wichtig ist, dass ich bei mir bleibe, schaue wie ich ticke und was mir gut tut. Wenn ich ein feines Gespür für mich habe, werde ich mich sicher nicht vom Mainstream beeinflussen lassen, der mir vorgaukelt, wie meine Sexualität auszusehen hat. <br /><em>Köln-Insight.TV: Ja – das haben wir ja schon öfters gehört. Aber grundsätzlich: Es spricht doch nichts dagegen, wenn wir uns visuell erotisch stimulieren lassen oder? Aber dazu gibt es vielleicht noch die ein oder andere Möglichkeiten, als sich solche Filme einzuverleiben oder?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, ganz meine Meinung. Man sollte bei all dem Gerede um Pornofilme nicht vergessen, dass es noch eine Vielzahl anderer Möglichkeiten gibt, die sich als erotische Stimulanz anbieten. Dazu gehört beispielsweise auch ein Spaziergang Hand in Hand durch eine Kunstgalerie, die Aktzeichnungen, erotische Gemälde oder Aktfotos präsentiert ... <br /><em>Köln-Insight.TV: Oder vielleicht sollte man ganz einfach mal wieder seinen Partner im Lieblingsoutfit – was immer das auch sein mag – intensiv und leidenschaftlich betrachten … das könnte auch ganz nützlich dazu sein</em></p></div> <div class="feed-description"><p><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Aster_beschn.KL.jpg" alt="Aster beschn.KL" width="350" height="334" style="margin-right: 10px; float: left;" />Alpenwelt.TV führte für <a href="http./www.koeln-insight.tv" target="_blank">Köln-Insight.TV</a> spannende Gespäche mit <a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de/" target="_blank">Dr. Jutta Kossat</a>, Sexualtherapeutin in Prien. Zu hören im dortigen Radio und zum Nachlesen hier.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: In unseren bisherigen Gesprächen haben wir immer ein Thema ausgeklammert: die Pornographie. In einem Interview kam kurz die Jugendsexualität im Zeitalter des Internets zur Sprache – heute wollen wir uns der Pornographie im Wandel der Zeit widmen. Und natürlich die Unterschiede zwischen Frauen und Männer betrachten. Was bedeutet Pornographie für Männer, was für Frauen? Welche Problematiken bestehen? Aber auch Zahlen und Fakten. Um uns auf das Thema einzustimmen, haben Frau Dr. Kossat und ich einen Außentermin wahrgenommen – und eine Videothek besucht und uns mit einer sehr netten jungen Angestellten über die Nutzung dieser Filme unterhalten.</em><br /><em>Fangen wir doch mal mit was ganz Banalem an. Warum schauen sich Männer – heute wie damals – so gerne Bilder von nackten Frauen an? Wieso haben viele Männer so oft Pin-up-Girls an ihren Wänden hängen – hingegen wir Frauen nicht die Traumbodys von irgendwelchen Typen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Männer sind durch Brust und Genitalien der Frauen, auch isoliert betrachtet, relativ schnell erregbar. Ein Blick auf einen leicht bekleideten oder unbekleideten Busen und schon können Männer eine Erektion verspüren. Im Gegenzug verspüren Frauen keine Erregung durch den Blick nur auf einen Penis. Da braucht es mehr an Beziehung und noch vieles andere. Das ist so und ist wertfrei zu betrachten. Die Betrachtung pornographischer Bilder oder Filme dienen dem Mann zur leichteren Erregung bei der Selbstbefriedigung.<br /><em>Köln-Insight.TV: Ja gut zur Selbstbefriedigung – wenn aber die aufreizenden Bilder jetzt so an der Wand hängen – wollen Männer immer zu jeder Tageszeit und zu jeder Gelegenheit in erregtem Zustand sein, das kann doch auch stören …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Es hängen ja nicht überall nackte Damen zur Anregung. Und sicher geraten Männern nicht bei jeder nackten Gestalt in einen erregten Zustand. Aber ich denke, ich bin allerdings kein Mann, es ist ihnen angenehm eine nackte Frau anzusehen, so wie wir Blumen auf den Tisch stellen. Einfach hübsch.<br /><em>Köln-Insight.TV: Ok – heute ist es via Internet ja sehr leicht, an entsprechendes Material zu kommen. Wie war das davor?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Gehen wir doch noch etwas weiter zurück. In dem seit 2014 geschlossenen Beate-Uhse-Museum in Berlin konnte man erotisches Material aus aller Welt und aus allen Zeiten betrachten. Es ging von asiatischen Bildrollen über afrikanische Masken bis hin zum japanischen Phallus-Schrein und erotischen Zeichnungen. Früher gab es kleine klappbare Miniaturnacktgemälde. Der älteste erhaltene Erotikfilm stammt aus 1896 und zeigt einen Striptease. Heute gilt der Pornofilm im Internet als Hauptmedium.<br /><em>Köln-Insight.TV: Das heißt, das Bedürfnis des Mannes nach erotischem Anschauungsmaterial gab es schon immer. Wie war es mit Frauen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Auch Frauen schauten und schauen sich schon immer pornographische Darstellungen an.<br />Selbst Katharina der Großen wird nachgesagt, dass sie in ihrer Sommerresidenz ein erotisches Kabinett eingerichtet hatte, z. B. mit einem Tisch, der auf einem ejakulierenden Penis ruht.<br /><em>Köln-Insight.TV: Oh wie pikant – Sie sagen, das Hauptmedium ist heute das Internet. Das bestätigte uns auch die Angestellte der Videothek, in der wir recherchierten. Sie bestätigte, dass Filme zum Ausleihen immer weniger verlangt werden. Was für Material erwartet uns im Internet?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die meisten Zuhörer werden das wohl wissen. Aber für die Personen, die sich noch nie darüber informiert haben, hier kurz einige Sachinformationen. <br />Ohne Nachprüfen des Alters oder Identifizierung kann man kostenlos verschiedene Internet-Plattformen anklicken. Die meisten von ihnen zeigen Videoclips mit Nahaufnahmen von vaginalem, oralem und analem Verkehr. Im Grunde laufen die meisten nach dem gleichen Schema ab. Es können aber verschiedene Kategorien gewählt werden, ziemlich jede Kategorie, die man sich vorstellen kann, oder ehrlich gesagt, solche, die man sich manchmal auch lieber nicht vorstellt.<br /><em>Köln-Insight.TV: Können Sie uns etwas zu den Zahlen der Internet-User sagen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Also wie immer gibt es natürlich unterschiedliche Studien und damit verschiedene Zahlen. Aber nach meinen eigenen Schätzungen in der Praxis kann ich sagen, dass sich fast alle Männer hin und wieder pornographische Clips anschauen. Dass ein Mann sagt, nein, das mache ich nie, das interessiert mich nicht, kommt vor, aber selten. Genau umgekehrt ist es bei den Frauen.<br />Laut Statistiken sind ca. 70 Prozent der Porno-User im Internet männlich und 30 Prozent weiblich. Nach meiner Schätzung sind es noch weniger Frauen. 70 Prozent der Männer zwischen 18 und 24 besuchen monatlich eine Pornoseite, bei den Frauen ist es jede Dritte (laut Blog OnlineMBA.com).<br />Im Netz beziehen sich 25 Prozent aller Anfragen auf pornographisches Material. Etwa 35 Prozent des gesamten Datenverkehrs im Internet ist Pornographie. <br /><em>Köln-Insight.TV: Weiß man, zu welchen Uhrzeiten die meisten Klicks sind?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Da gibt es unterschiedliche Aussagen. 70 Prozent der Porno-Daten werden an Werktagen von 9 bis 17 Uhr angeklickt, also zu den gängigen Arbeitszeiten. Ich habe noch gelernt, die meisten Klicks sind mittags um 12 Uhr und abends. <br /><em>Köln-Insight.TV: Also in der Mittagspause und nach Feierabend – ok, wird dabei masturbiert oder warum schauen sich die Männer das an?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, die pornographischen Clips dienen zur Erregung bei der Masturbation. Das ist sicher bei beiden Geschlechtern so.<br />Es kommt sicher auch mal vor, dass sich v. a. Frauen Pornographie aus reiner Neugierde anschauen, es aber eher eklig finden.<br /><em>Köln-Insight.TV: Wie lange bleiben die Männer durchschnittlich bei diesen Clips?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die durchschnittliche Betrachtungszeit ist circa zehn Minuten, in denen rund zehn Seiten angeklickt werden.<br /><em>Köln-Insight.TV: Woher stammen diese Porno-Clips?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nur vier Prozent dieser Porno-Seiten stammen aus Deutschland, 89 Prozent aus den USA.<br /><em>Köln-Insight.TV: Wie sieht es denn mit den Paaren aus? Wie nutzen die solche pornographischen Filme?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Auch Paare schauen sich Pornographie an. Paare und Frauen schauen sich aber weniger Videoclips aus dem Internet an, sondern eher Filme mit einer marginalen Handlung. <br />Tendenziell neigen Frauen dazu, sich eher hochwertigere Filme anzuschauen, also Filme mit besserer filmischer Qualität und edlerem Ambiente. Es gibt extra Filme für Paare und Frauen.<br /><em>Köln-Insight.TV: Männer und Frauen bevorzugen also unterschiedliche Art von Sexfilmen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ein Videoladenbesitzer hat mir erzählt, Männer kaufen sich vorwiegend die billigen, für paar Tausend Euro produzierten Filme aus dem Osten an; Frauen hingegen kaufen sich eher teurere Filme mit guten Einstellungen.<br />In meiner Praxis erzählen die meisten Frauen, sie schauen sich gar keine pornographischen Filme an, sondern, wenn sie überhaupt Filme zur erotischen Einstimmung anschauen würden, dann eher Liebesfilme oder vielleicht leicht erotisch eingefärbte Filme.<br /><em>Köln-Insight.TV: Ok, Rosamunde Pilcher verhilft also Frauen zu sexueller Stimulation? Interessant! Die meisten Frauen sind also doch noch immer hochromantisch. Dazu fällt mir jetzt ein Witz ein, der mir irre gut gefällt und auch ganz gut an diese Stelle passt: Warum schauen sich die Frauen Pornos immer bis zum Schluss an? Weil sie glauben, dass am Ende geheiratet wird.</em> <br />Gut wir hören also, dass Männer wie Frauen Pornos schauen, wenn auch mit unterschiedlichen Vorlieben – das ist wertfrei. Aber – welche Probleme können durch den Konsum von Pornographie entstehen?<br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wir müssen hier unterscheiden zwischen Nutzer im jugendlichen oder kindlichen und dem erwachsenen Alter.<br />Ganz klar, in kindlichem Alter haben pornographische Bilder nichts verloren. Ist heute aber leider kaum zu vermeiden, da schon Sechsjährige ungewollt von Freunden oder älteren Geschwistern pornographische Bilder auf ihr Handy geschickt bekommen. Geht gar nicht. <br /><em>Köln-Insight.TV: Wie verhält es sich bei Jugendlichen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Da möchte ich wie in einem früheren Interview auf die BZGA-Studie verweisen, die im Grunde aussagt, dass die Jugendlichen relativ verantwortungsbewusst und kompetent damit umgehen.<br />Aber klar ist, dass wir nicht wissen, wie es sich auswirkt, wenn eine Generation Sexualität v. a. durch Anschauen und nicht durch Ausprobieren kennenlernt. In den Clips oder Filmen gibt es keinerlei oder praktisch keine Zärtlichkeit. Ob dies als Vorbildfunktion Probleme mit sich bringt, wissen wir noch nicht, dies wird aber manchmal auch als Begründung für die abnehmende Lust herangezogen.<br />Aus der Praxis sind mir Fälle bekannt, in denen Jugendliche regelrecht schockiert sind von den pornographischen Bildern, die andere ihnen zeigen, und sie hilflos sind, wie sie damit umgehen sollen. <br /><em>Köln-Insight.TV: Wie sollen Eltern damit umgehen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Eltern haben davon meist keine Ahnung. Wichtig ist, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, mit ihnen in Kontakt sei und bleiben. Meist sind die Eltern wenig informiert, was da läuft. Sie sollten sich also erst mal von den Jugendlichen zeigen lassen, was alles so in Umlauf ist und dann mit ihnen reden, aber eher nach dem Motto: fragen statt sagen.<br /><em>Köln-Insight.TV: Was läuft denn da jetzt so bei den Kids – geben Sie uns doch einen ersten Einblick.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wobei ich auch nicht der Internet-Spezialist bin. Es gibt zum Beispiel die „Blogging Plattform Tumblr“. Sie stammt aus den USA. Hier wird sie nicht so sehr genutzt, nur 3,5 Prozent der User stammen aus Deutschland. Dort ist es möglich, pornographische Bilder oder Videos zu posten ohne Alterskontrolle. Für die meisten Jugendlichen ist es wahrscheinlich kein Problem, aber es kann auch vorkommen, dass gerade Mädchen an Bilder geraten, die sie schockieren und ihnen einfach nicht gut tun – und da heißt es dann, Stellung zu beziehen als Eltern. Erst herauszufinden, warum schaut sie sich das an, ist das cool, in der Peergruppe angesagt und wie geht es ihr damit? <br /><em>Köln-Insight.TV: Wie ist es jetzt mit den Erwachsenen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Für die Pornographie gilt die Regel, die auch sonst für die Sexualität gilt. Je seelenloser die Sexualität gelebt wird, umso höher muss mit der Zeit der sexuelle Reiz werden, um noch den ultimativen Kick auszulösen. Das ist das eine. <br />Das andere ist, automatisch läuft beim Betrachten von pornographischem Material ein Abgleich zu sich selbst ab. Wie sehe ich aus im Vergleich zu dem Schauspieler? Das könnte zum Problem für das Selbstwertgefühl werden. <br />Dazu muss man allerdings sagen, inzwischen sind die Darsteller im Porno-Clip nicht unbedingt sehr ästhetisch, also ist dies vielleicht immer weniger ein Problem.<br /><em>Köln-Insight.TV: Sie erwähnten in unserem Vorgespräch etwas von einer Studie?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja. Auf dem sexualmedizinischen Kongress 2012 in Salzburg wurde eine interessante Studie vorgestellt, die hierzu gut passt. Männern wurden einmal Fotos von Models und einmal Fotos von ganz normalen Frauen vorgelegt. Danach wurde jeweils das Foto der eigenen Partnerin beurteilt. Die Männer, die vorher die Models betrachtet hatten, schätzten die Attraktivität ihrer Frauen anschließend geringer ein als die Männer, die vorher normale Frauen angeschaut hatten. Die Interpretation überlassen wir den Zuhörern.<br /><em>Köln-Insight.TV: Welche Probleme durch Pornographie kennen Sie aus Ihrer Praxis?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Aus der Praxis kenne ich zwei Hauptprobleme. <br />Einmal – die Frauen entdecken, dass ihre Partner Pornos anschauen und finden es eklig und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Richtig problematisch wird es, wenn der Partner die Internet-Pornographie dem realen Sex mit der Partnerin vorzieht. Dann stimmt es definitiv in der Beziehung nicht mehr.<br />Das andere Hauptproblem ist, dass Männer Sexualtechniken im Videoclip sehen, die sie dann mit ihrer Partnerin nachahmen möchten. Die Partnerin empfindet dies nicht als ein gemeinsames Entdecken der Sexualität, fühlt sich also nicht wahrgenommen, sondern hat nur das Gefühl, etwas nachmachen zu müssen – und das geht natürlich schief. <br /><em>Köln-Insight.TV: Soll das bedeuten, dass Frauen weniger ausprobieren möchten?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nein, es ist nicht so, dass Frauen weniger neugierig sind als Männer, aber Frauen brauchen das Gefühl, es geht um sie und nicht um die Erfüllung oder Bedienung der männlichen Lust. <br />Um da ist noch etwas genauer zu beleuchten: Für die Männern ist es nicht so, dass sie unbedingt die eine oder andere Sextechnik brauchen, sondern für sie kann es eher eine Art Liebesbeweis sein. So in dem Sinne: Wenn meine Frau das mit mir macht, dann liebt sie mich wirklich. <br /><em>Köln-Insight.TV: Als Liebesbeweis – okay, so hab ich das auch noch nicht betrachtet – interessant …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sie sehen, die Sexualität ist manchmal nicht ganz einfach und oft steckt was ganz anderes dahinter, als man zunächst denkt.<br /><em>Köln-Insight.TV: Ja, deshalb führen wir ja auch diese Gespräch, um mehr zu erfahren, wie das andere Geschlecht tickt. </em><br /><em>Wie schaut es nun mit der sogenannten Pornosucht aus. Wann spricht man davon und kommt sie auch bei Personen vor, die in festen Beziehungen leben?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Zunächst vielleicht eine kurze Begriffsdefinition. Pornosucht ist der umgangssprachliche Begriff für exzessive Nutzung der Internet-Pornographie verbunden mit einem persönlichen Leidensdruck. Das heißt der Konsument von Pornographie leidet darunter. So lautet die Definition, weil die subjektive Vorstellung, wie viel ist denn zu viel, sehr unterschiedlich ist.<br />Jetzt zu ihrer Frage. Ja, es gibt die Pornosucht auch in festen Beziehungen. Die Sucht kann Ausdruck einer Beziehungsstörung sein bzw. führt umgekehrt auch zur einer Beziehungsstörung. Wobei Pornosucht v. a. bei 25- bis 30-jährigen Männern auftritt.<br /><em>Köln-Insight.TV: Wie kann man den von einer Pornosucht betroffenen Männern helfen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sie formulieren es schon richtig. Pornosucht betrifft praktisch nur Männer. Als erstes sollten sie sich professionelle Hilfe suchen, am besten einen Psychotherapeuten mit sexualmedizinischer Zusatzausbildung.<br />Dann gilt es, als ersten Schritt herauszufinden, was kann er vom Kopf her machen, um die Sucht einzugrenzen. <br />Zunächst muss die Entscheidung getroffen werden, die Sucht stoppen zu wollen. Die Verantwortung bei sich selbst lassen. Z. B. bei Stress in der Arbeit, sich nicht zu sagen, der Chef war so unfair, dafür belohne ich mich mit zwei Stunden Porno. <br />Sich seine Ressourcen bewusst machen. Das heißt, was mache ich sonst gerne, und diese Punkte zu stärken. Und sich auf die Beziehung fokussieren. <br /><em>Köln-Insight.TV: Und wahrscheinlich wie bei anderen Süchten auch, muss eine Karenz erfolgen, also alle pornographischen Bilder müssen gemieden werden?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, es kann sinnvoll sein, einen Pornofilter in den PC einzubauen und unter Umständen nicht mal mehr ein Magazin wie den Playboy o. Ä. anzuschauen. <br />Auch medikamentöse Unterstützung kann manchmal notwendig sein, um die Libido erst mal zu dämpfen.<br /><em>Köln-Insight.TV: Jetzt haben wir die ganze Zeit von den negativen Auswirkungen der Pornographie gesprochen. Gibt es denn auch positive Aspekte?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Untersuchungen gibt es hierzu keine. Das wäre sicher interessant, da ich in meiner Praxis oft erlebe, dass die Internet-Nutzung für viele Menschen zum sexuellen Alltag gehört, ohne dabei mit der reellen Sexualität zu kollidieren. <br />Ich denke, mit der Pornographie ist es, wie mit vielen anderen Dingen im Leben auch, es kommt alles auf das Ausmaß und das Niveau an. Wichtig ist, dass ich bei mir bleibe, schaue wie ich ticke und was mir gut tut. Wenn ich ein feines Gespür für mich habe, werde ich mich sicher nicht vom Mainstream beeinflussen lassen, der mir vorgaukelt, wie meine Sexualität auszusehen hat. <br /><em>Köln-Insight.TV: Ja – das haben wir ja schon öfters gehört. Aber grundsätzlich: Es spricht doch nichts dagegen, wenn wir uns visuell erotisch stimulieren lassen oder? Aber dazu gibt es vielleicht noch die ein oder andere Möglichkeiten, als sich solche Filme einzuverleiben oder?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, ganz meine Meinung. Man sollte bei all dem Gerede um Pornofilme nicht vergessen, dass es noch eine Vielzahl anderer Möglichkeiten gibt, die sich als erotische Stimulanz anbieten. Dazu gehört beispielsweise auch ein Spaziergang Hand in Hand durch eine Kunstgalerie, die Aktzeichnungen, erotische Gemälde oder Aktfotos präsentiert ... <br /><em>Köln-Insight.TV: Oder vielleicht sollte man ganz einfach mal wieder seinen Partner im Lieblingsoutfit – was immer das auch sein mag – intensiv und leidenschaftlich betrachten … das könnte auch ganz nützlich dazu sein</em></p></div> Erotischer Dialog als Aphrodisiakum - mit Worten zum aufregenden Sex - Interview mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat 2015-07-08T18:00:00+02:00 2015-07-08T18:00:00+02:00 https://alpenwelt-tv.de/index.php/gesundheit/interview/246-gesundheit-im-interview/595-erotischer-dialog-als-aphrodisiakum-mit-worten-zum-aufregenden-sex-interview-mit-der-aerztin-und-sexualtherapeutin-dr-jutta-kossat.html Petra Wagner wagner@text-fabrik.de <div class="feed-description"><p><em><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Hibiskus_Duett_beschn.KL.jpg" alt="Hibiskus Duett beschn.KL" width="350" height="467" style="margin-right: 10px; float: left;" />Seit 11. Mai sendet Köln-Insight.TV in seiner Radio-Edition am Montag die Interview-Serie „Kölner SexTalk“, bei der die Journalistin Petra Wagner im Gespräch mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat über gängige Vorurteile sowie Mythen aufklärt und über die weibliche wie männliche Sexualität informiert. Für alle jene, die die Sendung nicht live anhören konnten, hier die Inhalte zum Nachlesen.</em></p> <p><em>Köln-Insight.TV: Eine Zuhörerin aus Köln, die Tina, schrieb uns, dass sie und ihr Partner einfach nicht über Sex reden können, dass er vermutlich, sie aber in jedem Fall Hemmungen habe, über ihre Wünsche und Fantasien zu sprechen. Und so bleiben beider Wünsche unerfüllt – wie kann man dem Paar helfen?</em><br /><em>Uns hat diese Anfrage bewogen, die erotische Kommunikation als Thema für eine Sendung zu wählen – ist es gut, über Sex zu reden oder besteht die Gefahr, ihn zu zerreden, weil man ihm so den Zauber nimmt? Oder kann man damit gerade wieder Esprit in die Beziehung bringen. </em><br /><em>Wenn ja, über was und wie sollten wir das Thema angehen? Und was ist den Menschen zu raten, die es sich nicht trauen, darüber zu sprechen. Unser Thema heute also: der erotische Dialog.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Über Sex zu reden, gibt es viele Möglichkeiten. Ich möchte Ihnen heute Abend einige vorstellen. Aber das sind nur Ideen und Anregungen, kein Patentrezept für alle Paare.<br />Beginnen wir mit der Zuhörerin. Hier offenbart sich, dass auf beiden Seiten Hemmungen bestehen, entspannt und offen über die eigene Sexualität zu sprechen.<br />Da kann es eine gute Möglichkeit sein, erstmal zu „tratschen“, also bei einer passenden Gelegenheit über den eventuellen Sex von anderen Paaren zu sprechen. Nehmen wir an, die beiden sitzen im Café und reden über ein Pärchen ein paar Tische weiter. Fragen Sie sich, ob die wohl Sex miteinander haben, wie lange sie sich wohl schon kennen und ob sie sich ihre Wünsche gegenseitig erfüllen etc.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und dann kommt man vom Gespräch über den Sex der anderen zum eigenen – wie sehen die nächsten Schritte aus?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wie die nächsten Schritte aussehen, habe ich keine Ahnung. Das wird bei jedem Paar anders sein. Aber klar ist, wenn es dem Paar gelingt, über andere locker zu sprechen, ist das eine schöne Übung, über eigene intime Dinge, Dinge die mir nahegehen, die ganz viel mit meiner weiblichen oder männlichen Identität zu tun haben, zu sprechen. <br />Und es kann ganz einfach auch lustig sein – und über den Witz kann man schon viel mehr Lockerheit in das Thema bringen. Wenn ich über Sex miteinander lachen kann, geht es ja schon in Richtung Lebensfreude.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Im Gegenzug hierzu steht der geplante erotische Dialog über die eigene Sexualität. Was genau meinen Sie damit – wie muss man sich das vorstellen, wir verabreden uns zum SexTalk – so wie wir jetzt?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Naja, so wie wir hier jetzt nicht. Wir sprechen ja nicht über persönliche Dinge, aber Sie haben recht, auch allgemein über Sexualität, so wie wir hier, zu sprechen, kann dem Paar schon viel Aufschluss über sich bringen.<br />Der geplante erotische Dialog bezieht sich aber auf Persönliches. Ich beziehe mich hierbei im weitesten Sinn auf Prof. Michael Lukas Moeller, einen leider schon verstorbenen, aber sehr bekannten Paartherapeuten. <br />Herr Prof. Moeller schlägt ein 90-minütiges Gespräch einmal pro Woche vor. Das Gespräch wird vorher vereinbart und soll in ungestörtem Rahmen stattfinden, also ohne Handy, hereinplatzende Kinder etc.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Worum geht es dabei genau?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Beim Gespräch geht es um das spezielle Erleben der Liebe. Es geht um das eigene erotische Erleben, so in dem Sinne, was berührt mich erotisch im Moment am stärksten. Welche Gefühle verbinde ich damit? <br />Das Thema wird nicht genauer definiert, es ergibt sich von selbst. Es kann sich um die ersten Liebeserfahrungen handeln, um die sexuelle Atmosphäre zu Hause, um die Beziehung jetzt, um Wünsche etc.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Also zum Beispiel auch „wie haben wir uns kennengelernt und mal heiß und innig geliebt – Erinnerungen an die schöne, aber leider vergangene Zeit?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Bei Ihrer Formulierung klingt für mich ein bisschen so eine Verbitterung oder ein Anklagen durch. Dies ist kein guter Einstieg in das Gespräch. Wenn sich aber das Paar mit Freude an das Kennenlernen erinnert, kann es sehr spannend sein, herauszufinden: Was hat das Verliebt-Sein einst ausgelöst, was waren die Trigger damals. Z. B. ein Paar streitet sich schon zu Beginn der Beziehung. Das kann unbewusst ein Mittel sein, den spannungsreichen Wechsel zwischen Nähe und Distanz herzustellen.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Verstehe ich Sie so richtig, das Paar streitet sich, spürt keine Nähe mehr und braucht dann wieder den Sex, um Bindung und Nähe herzustellen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, das kann für manche Paare ein geeignetes Mittel sein, um Erotik aufzubauen und es ist spannend, seine eigenen Trigger kennenzulernen und zu analysieren.<br />Prof. Moellers These ist, durch die Regelmäßigkeit der Gespräche lernt sich jeder selbst besser kennen und erfährt auch nach und nach die Wünsche des Partners.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Aber besteht nicht die Gefahr, dass man damit den Sex entzaubert, ernüchtert in gewisser Weise?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wenn Paare die Lust zerreden, ist das wieder wie ein Widerstand und dann würde es auch ohne reden, die Lust zerstören.<br />Etwas auszusprechen, ist im Grunde die Vorbereitung für das gegenseitige Verstehen. Wenn der andere sich nicht öffnet, seine intimen Gefühle und Gedanken mir nicht verrät, kann ich ihn auch nicht verstehen und keine Nähe empfinden.<br />Sich zu verschließen und sich nicht zu zeigen, ist auf der anderen Seite irrsinnig anstrengend und kräftezerrend. Alle kennen wir das Sprichwort: „Sich etwas von der Seele reden“, das gilt auch für die Erotik.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Welche Schwierigkeiten können während des Gesprächs auftreten? Beispielsweise könnte es passieren, dass ein Partner dominiert und die ganze Zeit redet und der andere eher schweigt?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sollten Typ-bedingt starke Unterschiede da sein, empfiehlt es sich, die Sprechzeiten klar zu vereinbaren, so dass jeder genug Zeit und Raum hat.<br /><em>Köln-Insight.TV: Welche Probleme können dabei noch auftauchen – was ist, wenn sich auftut, dass die Wünsche und Vorstellung der beiden nicht harmonieren – was dann?</em></p> <p><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Klar, die Gefahr eines Konflikts besteht immer. Aber zu einer Beziehung gehören Konflikte dazu. Es ist eine Illusion zu denken, Beziehungen gehen ohne Konflikte.<br />Wichtig ist es, die Konflikte wahrzunehmen, auch auszuhalten und dann nach Lösungen zu suchen. Aber nach einer Lösung, in der sich beide gleichberechtigt fühlen und die Bedürfnisse der Partner gleichwertig sind. Dazu gehört auch, ehrlich sich selbst gegenüber zu sein – und nicht ja zu sagen und nein zu meinen.<br />Wer miteinander spricht, räumt ununterbrochen innere Belastungen auf und damit bekommen sie nicht so ein großes Gewicht. Das Gespräch befreit die Erotik vom Ballast.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Was ist, wenn das Gespräch ins Stocken gerät und niemandem etwas einfällt?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Das ist durchaus möglich, das ist meist ein Hinweis auf innere Widerstände. Hinter diesen Widerständen können alle möglichen unangenehmen Gefühle stecken, wie z. B. es tauchen Erinnerungen an alte Verletzungen auf oder Scham, weil ein Tabu angesprochen wird.<br />Diese Widerstände dienen der Angstreduktion. Es kommen Ängste hoch, die man nicht wahrnehmen will. Aber in der Regel reguliert sich das von selbst. Im Zweifelsfall kann man es direkt ansprechen und sich überlegen, was steckt jetzt hinter dem Schweigen. Was hat das Schweigen ausgelöst? Was bringt uns zum Verstummen?</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Kann es für Paare nicht einfacher sein, vorher sich schon ein Thema zurechtzulegen, als so spontan loszulegen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Natürlich, für viele Paare kann es auch erleichternd sein, sich auf ein Thema schon im Vorfeld festzulegen. Das Paar kann sich selbst eines aussuchen oder, falls ihm nichts einfällt, Anregungen aus verschiedenen Büchern holen, wie z. B. dem neu erschienenen Buch von Herrn Prof. Ulrich Clement. <br />In seinem Buch „Think love“ hat er 200 und eine Fragen entwickelt zum Thema Sexualität. Das Paar kann über diese Fragen diskutieren oder auch, warum der Partner sich gerade diese Frage ausgesucht hat. Prof. Clement stellt Fragen wie: „Welches erotische Kompliment würdest Du am liebsten hören?“ oder „Gibt es Dinge, die du deinem Partner zuliebe in Kauf nimmst, ohne sie wirklich selbst zu wollen?“</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wie könnte man so ein Gespräch noch vorbereiten oder inhaltlich gestalten?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Je nach Paar kann es auch spannend sein, sich gemeinsam ein Drehbuch zu ihrem persönlichen erotischen Film zu überlegen und darüber zu diskutieren und zu lachen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es muss auch nicht immer ein todernstes Gespräch sein, sondern es darf auch gelacht und gekichert werden – man darf und soll Spaß haben.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Insgesamt gilt also, egal wie das Paar über Erotik spricht, Hauptsache es spricht überhaupt darüber?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja. Das Problem ist, das viele Paare sagen, sie haben keine Zeit. Das glaube ich nicht, sondern ich denke eher, dann besteht auch kein echtes Interesse an der Verbesserung der Erotik.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Mir ist nicht ganz klar, wie so ein Gespräch erotisierend wirkt … was passiert, wenn ich über Erotik rede?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die Frage ist ja immer, was Sie wollen. Wenn Sie intensive Gefühle erleben wollen, ist sprachliche Offenheit sicher ein Weg. Wirkliche Intimität, und darum geht es in der Sexualität, geht nur über mich öffnen, ehrlich sein, authentisch sein.<br />Wenn wir mal die Sexualität außen vor lassen. Haben Sie noch nie erlebt, dass wenn Sie selbst offen und ehrlich sind, die meisten anderen es auch sind? Und plötzlich sogar mit Wildfremden intime Gespräche möglich sind, wenn die Fassade und Selbstdarstellung außen vorbleibt. <br />Nichts anderes passiert beim erotischen Dialog, wir werden intim. Symbolisch gesehen, öffnen wir uns erst mal über die Sprache, dann über den Mund beim Küssen und schließlich beim eigentlich sexuellen Akt. Kennen Sie nicht auch Beziehungen, die ganz intim und erotisch sind, ohne dass körperlicher Kontakt stattfindet?</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Okay – ja wenn ich so darüber nachdenke, ich denke ja … Ja das ist wirlich interessant, erklären Sie uns das doch bitte noch etwas detaillierter?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Miteinander sprechen und erotisches Erleben bedingen sich gegenseitig. Das gegenseitige Kennenlernen wirkt anregend. Befreit aus der üblichen Alltagsroutine. Wenn ich etwas nicht ausspreche, tabuisiere ich es, dann kann ich es nicht verändern. <br />• Erst wenn man offen spricht, kann sich Erotik freier und intensiver entfalten. Jeder erotische Dialog hat aphrodisische Wirkung, weil er Verschlossenes nach oben bringt und Konflikte abbaut.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Weil man sich über seine Vorlieben und Wünsche äußert?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Ja, man lernt seine eigenen erotischen Bedürfnisse selbst durch das Aussprechen besser kennen. Selbstoffenheit bewirkt eine Stärkung der eigenen Identität und darüber hinaus eine stärkere Bindung an den Partner.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und zudem wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich meine geheimsten Wünsche auch erfüllen, deutlich erhöht oder?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Ja. Das Miteinanderreden führt zu einer befriedigenderen Beziehung, man ist dem Partner zugeneigter. Der Partner versteht einen immer besser, kann sich besser einfühlen, wirklich wahrnehmen.<br />• Und der erotische Dialog hat den großen Vorteil, dass über Generationen hinweg endlich die Sexualität als Lebensfreude verstanden wird. <br />• Ich zitiere nochmal Prof. Moeller, er sagt: „Diejenigen, die durch Zwiegespräche am meisten gewinnen, sind die eigenen Kinder. Eine bessere Einbettung ins Leben, als wie sie durch die seelische Offenheit der Eltern erreicht wird, ist für Kinder kaum denkbar.“<br />• Weiter sagt er – und das halte ich für extrem treffend und wichtig. „Die verheerendste Mitgift für die Kinder ist der Mangel an Erotisierung der Elternbilder, die jeden Menschen zeitlebens unbewusst beeinflussen. Die Wurzel liegt nicht nur in der Lustlosigkeit der Eltern, sondern im Ausschweigen ihrer Lust, als wäre sie Verderben statt purer Freude.“</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Ja klar, ich verstehe. Aber wie verhält es sich dann mit den Kindern, deren Eltern zur 68er Generation gehören – die müssten doch frei über Sexualität sprechen können?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Ja diese Erwachsenen können zum Teil gut über ihre Sexualität reden. Aber man muss auch bedenken, dass es in der 68er-Sexualität nur um die reine Lusterfüllung ging und nicht um Beziehungen. Was auch verheerende Folgen hatte, daran sind nicht wenige zerbrochen.<br />• Das Gespräch ist die Grundbedingung für erfüllende Partnerschaft und Sexualität. In der Regel sprechen Paare jahrelang das nicht aus, worauf es eigentlich in der Erotik ankommt.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: So viel zu dem, wie es sein sollte. Aber wie sieht nun die Realität aus? Im Vorgespräch haben Sie mir verraten, dass nach einer Studie (Durex Sexual Wellbeing Global Survey) nur 53 Prozent der Frauen und nur 62 Prozent der Männer in Deutschland sich trauen, gemeinsam über Sex zu reden. Das kann ja nur gravierende Folgen nach sich ziehen – Frau Dr. Kossat – welche?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong></p> <p>• Naja, als erstes werde ich meinen Partner natürlich nicht so gut verstehen. Die Erotik wird langweiliger, einfallsloser oder fällt ganz aus.<br />• Die inneren Wünsche bleiben jedoch bestehen und damit unerfüllt. Erotische Widersprüche werden nicht sichtbar, obwohl sie bestehen.<br />• Der Konflikt wird unterschlagen, ist aber unterschwellig da. Dies kann regelrecht zu Wut und Verbitterung führen. <br />• Oder falsche Harmonie wird vorgegaukelt, die zur Entfremdung führt. Es erfolgt ein scheinbar reibungsloses Nebeneinander statt ein fröhliches erotisches Miteinander.<br />• Im Endeffekt kommt es damit zur Beziehungslosigkeit in der Beziehung und Ent-Sexualisierung der Partnerschaft.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Ja das ist verheerend. Warum tun wir uns noch immer so verdammt schwer, ehrlich mit dem Partner über Sex und Erotik zu sprechen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Erste Wurzeln der Wortlosigkeit sind sicher die eigenen Eltern, wie vorher schon erwähnt. Das Vorbild oder Beispiel für offenes normales Sprechen über Erotik fehlt.<br />• Dazu kommt heute noch die Diskrepanz zwischen dem öffentlichen sexuellen Overloading und der eigenen persönlichen Zurückhaltung. Wenn ich in die Medien schaue, ist der Sex überrepräsentiert, er steht in noch größerem Kontrast zu meinem eigenen Leben oder meiner Art zu sprechen. Und das schafft noch mehr Druck und führt zu Schweigsamkeit. Dieser Sex-überall stößt zu recht viele auch ab, weil es nichts mit der eigentlichen Erotik und Nähe zu tun hat.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und die alltägliche Routine tut ein Übriges …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Ja, ein weiterer Hauptgrund ist sicher die allgemeine berufliche Belastung. Leistung erbringen, hat nichts mit Erotik oder erotischer Stimmung zu tun. Die berufliche Sprache ist meist charakterisiert durch Wortknappheit, Sachorientierung und Gefühlsferne, also weit entfernt von einer erotischen Sprache.<br />• Und zusätzlich kommt vor der Lust auf den erotischen Dialog, die Lust an Veränderung, Neugierde und eine große Portion an Eigeninitiative Wenn ich selbst nichts verändere, wird es bleiben, wie es ist.</p></div> <div class="feed-description"><p><em><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Hibiskus_Duett_beschn.KL.jpg" alt="Hibiskus Duett beschn.KL" width="350" height="467" style="margin-right: 10px; float: left;" />Seit 11. Mai sendet Köln-Insight.TV in seiner Radio-Edition am Montag die Interview-Serie „Kölner SexTalk“, bei der die Journalistin Petra Wagner im Gespräch mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat über gängige Vorurteile sowie Mythen aufklärt und über die weibliche wie männliche Sexualität informiert. Für alle jene, die die Sendung nicht live anhören konnten, hier die Inhalte zum Nachlesen.</em></p> <p><em>Köln-Insight.TV: Eine Zuhörerin aus Köln, die Tina, schrieb uns, dass sie und ihr Partner einfach nicht über Sex reden können, dass er vermutlich, sie aber in jedem Fall Hemmungen habe, über ihre Wünsche und Fantasien zu sprechen. Und so bleiben beider Wünsche unerfüllt – wie kann man dem Paar helfen?</em><br /><em>Uns hat diese Anfrage bewogen, die erotische Kommunikation als Thema für eine Sendung zu wählen – ist es gut, über Sex zu reden oder besteht die Gefahr, ihn zu zerreden, weil man ihm so den Zauber nimmt? Oder kann man damit gerade wieder Esprit in die Beziehung bringen. </em><br /><em>Wenn ja, über was und wie sollten wir das Thema angehen? Und was ist den Menschen zu raten, die es sich nicht trauen, darüber zu sprechen. Unser Thema heute also: der erotische Dialog.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Über Sex zu reden, gibt es viele Möglichkeiten. Ich möchte Ihnen heute Abend einige vorstellen. Aber das sind nur Ideen und Anregungen, kein Patentrezept für alle Paare.<br />Beginnen wir mit der Zuhörerin. Hier offenbart sich, dass auf beiden Seiten Hemmungen bestehen, entspannt und offen über die eigene Sexualität zu sprechen.<br />Da kann es eine gute Möglichkeit sein, erstmal zu „tratschen“, also bei einer passenden Gelegenheit über den eventuellen Sex von anderen Paaren zu sprechen. Nehmen wir an, die beiden sitzen im Café und reden über ein Pärchen ein paar Tische weiter. Fragen Sie sich, ob die wohl Sex miteinander haben, wie lange sie sich wohl schon kennen und ob sie sich ihre Wünsche gegenseitig erfüllen etc.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und dann kommt man vom Gespräch über den Sex der anderen zum eigenen – wie sehen die nächsten Schritte aus?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wie die nächsten Schritte aussehen, habe ich keine Ahnung. Das wird bei jedem Paar anders sein. Aber klar ist, wenn es dem Paar gelingt, über andere locker zu sprechen, ist das eine schöne Übung, über eigene intime Dinge, Dinge die mir nahegehen, die ganz viel mit meiner weiblichen oder männlichen Identität zu tun haben, zu sprechen. <br />Und es kann ganz einfach auch lustig sein – und über den Witz kann man schon viel mehr Lockerheit in das Thema bringen. Wenn ich über Sex miteinander lachen kann, geht es ja schon in Richtung Lebensfreude.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Im Gegenzug hierzu steht der geplante erotische Dialog über die eigene Sexualität. Was genau meinen Sie damit – wie muss man sich das vorstellen, wir verabreden uns zum SexTalk – so wie wir jetzt?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Naja, so wie wir hier jetzt nicht. Wir sprechen ja nicht über persönliche Dinge, aber Sie haben recht, auch allgemein über Sexualität, so wie wir hier, zu sprechen, kann dem Paar schon viel Aufschluss über sich bringen.<br />Der geplante erotische Dialog bezieht sich aber auf Persönliches. Ich beziehe mich hierbei im weitesten Sinn auf Prof. Michael Lukas Moeller, einen leider schon verstorbenen, aber sehr bekannten Paartherapeuten. <br />Herr Prof. Moeller schlägt ein 90-minütiges Gespräch einmal pro Woche vor. Das Gespräch wird vorher vereinbart und soll in ungestörtem Rahmen stattfinden, also ohne Handy, hereinplatzende Kinder etc.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Worum geht es dabei genau?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Beim Gespräch geht es um das spezielle Erleben der Liebe. Es geht um das eigene erotische Erleben, so in dem Sinne, was berührt mich erotisch im Moment am stärksten. Welche Gefühle verbinde ich damit? <br />Das Thema wird nicht genauer definiert, es ergibt sich von selbst. Es kann sich um die ersten Liebeserfahrungen handeln, um die sexuelle Atmosphäre zu Hause, um die Beziehung jetzt, um Wünsche etc.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Also zum Beispiel auch „wie haben wir uns kennengelernt und mal heiß und innig geliebt – Erinnerungen an die schöne, aber leider vergangene Zeit?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Bei Ihrer Formulierung klingt für mich ein bisschen so eine Verbitterung oder ein Anklagen durch. Dies ist kein guter Einstieg in das Gespräch. Wenn sich aber das Paar mit Freude an das Kennenlernen erinnert, kann es sehr spannend sein, herauszufinden: Was hat das Verliebt-Sein einst ausgelöst, was waren die Trigger damals. Z. B. ein Paar streitet sich schon zu Beginn der Beziehung. Das kann unbewusst ein Mittel sein, den spannungsreichen Wechsel zwischen Nähe und Distanz herzustellen.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Verstehe ich Sie so richtig, das Paar streitet sich, spürt keine Nähe mehr und braucht dann wieder den Sex, um Bindung und Nähe herzustellen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, das kann für manche Paare ein geeignetes Mittel sein, um Erotik aufzubauen und es ist spannend, seine eigenen Trigger kennenzulernen und zu analysieren.<br />Prof. Moellers These ist, durch die Regelmäßigkeit der Gespräche lernt sich jeder selbst besser kennen und erfährt auch nach und nach die Wünsche des Partners.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Aber besteht nicht die Gefahr, dass man damit den Sex entzaubert, ernüchtert in gewisser Weise?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wenn Paare die Lust zerreden, ist das wieder wie ein Widerstand und dann würde es auch ohne reden, die Lust zerstören.<br />Etwas auszusprechen, ist im Grunde die Vorbereitung für das gegenseitige Verstehen. Wenn der andere sich nicht öffnet, seine intimen Gefühle und Gedanken mir nicht verrät, kann ich ihn auch nicht verstehen und keine Nähe empfinden.<br />Sich zu verschließen und sich nicht zu zeigen, ist auf der anderen Seite irrsinnig anstrengend und kräftezerrend. Alle kennen wir das Sprichwort: „Sich etwas von der Seele reden“, das gilt auch für die Erotik.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Welche Schwierigkeiten können während des Gesprächs auftreten? Beispielsweise könnte es passieren, dass ein Partner dominiert und die ganze Zeit redet und der andere eher schweigt?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sollten Typ-bedingt starke Unterschiede da sein, empfiehlt es sich, die Sprechzeiten klar zu vereinbaren, so dass jeder genug Zeit und Raum hat.<br /><em>Köln-Insight.TV: Welche Probleme können dabei noch auftauchen – was ist, wenn sich auftut, dass die Wünsche und Vorstellung der beiden nicht harmonieren – was dann?</em></p> <p><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Klar, die Gefahr eines Konflikts besteht immer. Aber zu einer Beziehung gehören Konflikte dazu. Es ist eine Illusion zu denken, Beziehungen gehen ohne Konflikte.<br />Wichtig ist es, die Konflikte wahrzunehmen, auch auszuhalten und dann nach Lösungen zu suchen. Aber nach einer Lösung, in der sich beide gleichberechtigt fühlen und die Bedürfnisse der Partner gleichwertig sind. Dazu gehört auch, ehrlich sich selbst gegenüber zu sein – und nicht ja zu sagen und nein zu meinen.<br />Wer miteinander spricht, räumt ununterbrochen innere Belastungen auf und damit bekommen sie nicht so ein großes Gewicht. Das Gespräch befreit die Erotik vom Ballast.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Was ist, wenn das Gespräch ins Stocken gerät und niemandem etwas einfällt?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Das ist durchaus möglich, das ist meist ein Hinweis auf innere Widerstände. Hinter diesen Widerständen können alle möglichen unangenehmen Gefühle stecken, wie z. B. es tauchen Erinnerungen an alte Verletzungen auf oder Scham, weil ein Tabu angesprochen wird.<br />Diese Widerstände dienen der Angstreduktion. Es kommen Ängste hoch, die man nicht wahrnehmen will. Aber in der Regel reguliert sich das von selbst. Im Zweifelsfall kann man es direkt ansprechen und sich überlegen, was steckt jetzt hinter dem Schweigen. Was hat das Schweigen ausgelöst? Was bringt uns zum Verstummen?</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Kann es für Paare nicht einfacher sein, vorher sich schon ein Thema zurechtzulegen, als so spontan loszulegen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Natürlich, für viele Paare kann es auch erleichternd sein, sich auf ein Thema schon im Vorfeld festzulegen. Das Paar kann sich selbst eines aussuchen oder, falls ihm nichts einfällt, Anregungen aus verschiedenen Büchern holen, wie z. B. dem neu erschienenen Buch von Herrn Prof. Ulrich Clement. <br />In seinem Buch „Think love“ hat er 200 und eine Fragen entwickelt zum Thema Sexualität. Das Paar kann über diese Fragen diskutieren oder auch, warum der Partner sich gerade diese Frage ausgesucht hat. Prof. Clement stellt Fragen wie: „Welches erotische Kompliment würdest Du am liebsten hören?“ oder „Gibt es Dinge, die du deinem Partner zuliebe in Kauf nimmst, ohne sie wirklich selbst zu wollen?“</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wie könnte man so ein Gespräch noch vorbereiten oder inhaltlich gestalten?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Je nach Paar kann es auch spannend sein, sich gemeinsam ein Drehbuch zu ihrem persönlichen erotischen Film zu überlegen und darüber zu diskutieren und zu lachen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es muss auch nicht immer ein todernstes Gespräch sein, sondern es darf auch gelacht und gekichert werden – man darf und soll Spaß haben.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Insgesamt gilt also, egal wie das Paar über Erotik spricht, Hauptsache es spricht überhaupt darüber?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja. Das Problem ist, das viele Paare sagen, sie haben keine Zeit. Das glaube ich nicht, sondern ich denke eher, dann besteht auch kein echtes Interesse an der Verbesserung der Erotik.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Mir ist nicht ganz klar, wie so ein Gespräch erotisierend wirkt … was passiert, wenn ich über Erotik rede?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die Frage ist ja immer, was Sie wollen. Wenn Sie intensive Gefühle erleben wollen, ist sprachliche Offenheit sicher ein Weg. Wirkliche Intimität, und darum geht es in der Sexualität, geht nur über mich öffnen, ehrlich sein, authentisch sein.<br />Wenn wir mal die Sexualität außen vor lassen. Haben Sie noch nie erlebt, dass wenn Sie selbst offen und ehrlich sind, die meisten anderen es auch sind? Und plötzlich sogar mit Wildfremden intime Gespräche möglich sind, wenn die Fassade und Selbstdarstellung außen vorbleibt. <br />Nichts anderes passiert beim erotischen Dialog, wir werden intim. Symbolisch gesehen, öffnen wir uns erst mal über die Sprache, dann über den Mund beim Küssen und schließlich beim eigentlich sexuellen Akt. Kennen Sie nicht auch Beziehungen, die ganz intim und erotisch sind, ohne dass körperlicher Kontakt stattfindet?</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Okay – ja wenn ich so darüber nachdenke, ich denke ja … Ja das ist wirlich interessant, erklären Sie uns das doch bitte noch etwas detaillierter?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Miteinander sprechen und erotisches Erleben bedingen sich gegenseitig. Das gegenseitige Kennenlernen wirkt anregend. Befreit aus der üblichen Alltagsroutine. Wenn ich etwas nicht ausspreche, tabuisiere ich es, dann kann ich es nicht verändern. <br />• Erst wenn man offen spricht, kann sich Erotik freier und intensiver entfalten. Jeder erotische Dialog hat aphrodisische Wirkung, weil er Verschlossenes nach oben bringt und Konflikte abbaut.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Weil man sich über seine Vorlieben und Wünsche äußert?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Ja, man lernt seine eigenen erotischen Bedürfnisse selbst durch das Aussprechen besser kennen. Selbstoffenheit bewirkt eine Stärkung der eigenen Identität und darüber hinaus eine stärkere Bindung an den Partner.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und zudem wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich meine geheimsten Wünsche auch erfüllen, deutlich erhöht oder?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Ja. Das Miteinanderreden führt zu einer befriedigenderen Beziehung, man ist dem Partner zugeneigter. Der Partner versteht einen immer besser, kann sich besser einfühlen, wirklich wahrnehmen.<br />• Und der erotische Dialog hat den großen Vorteil, dass über Generationen hinweg endlich die Sexualität als Lebensfreude verstanden wird. <br />• Ich zitiere nochmal Prof. Moeller, er sagt: „Diejenigen, die durch Zwiegespräche am meisten gewinnen, sind die eigenen Kinder. Eine bessere Einbettung ins Leben, als wie sie durch die seelische Offenheit der Eltern erreicht wird, ist für Kinder kaum denkbar.“<br />• Weiter sagt er – und das halte ich für extrem treffend und wichtig. „Die verheerendste Mitgift für die Kinder ist der Mangel an Erotisierung der Elternbilder, die jeden Menschen zeitlebens unbewusst beeinflussen. Die Wurzel liegt nicht nur in der Lustlosigkeit der Eltern, sondern im Ausschweigen ihrer Lust, als wäre sie Verderben statt purer Freude.“</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Ja klar, ich verstehe. Aber wie verhält es sich dann mit den Kindern, deren Eltern zur 68er Generation gehören – die müssten doch frei über Sexualität sprechen können?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Ja diese Erwachsenen können zum Teil gut über ihre Sexualität reden. Aber man muss auch bedenken, dass es in der 68er-Sexualität nur um die reine Lusterfüllung ging und nicht um Beziehungen. Was auch verheerende Folgen hatte, daran sind nicht wenige zerbrochen.<br />• Das Gespräch ist die Grundbedingung für erfüllende Partnerschaft und Sexualität. In der Regel sprechen Paare jahrelang das nicht aus, worauf es eigentlich in der Erotik ankommt.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: So viel zu dem, wie es sein sollte. Aber wie sieht nun die Realität aus? Im Vorgespräch haben Sie mir verraten, dass nach einer Studie (Durex Sexual Wellbeing Global Survey) nur 53 Prozent der Frauen und nur 62 Prozent der Männer in Deutschland sich trauen, gemeinsam über Sex zu reden. Das kann ja nur gravierende Folgen nach sich ziehen – Frau Dr. Kossat – welche?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong></p> <p>• Naja, als erstes werde ich meinen Partner natürlich nicht so gut verstehen. Die Erotik wird langweiliger, einfallsloser oder fällt ganz aus.<br />• Die inneren Wünsche bleiben jedoch bestehen und damit unerfüllt. Erotische Widersprüche werden nicht sichtbar, obwohl sie bestehen.<br />• Der Konflikt wird unterschlagen, ist aber unterschwellig da. Dies kann regelrecht zu Wut und Verbitterung führen. <br />• Oder falsche Harmonie wird vorgegaukelt, die zur Entfremdung führt. Es erfolgt ein scheinbar reibungsloses Nebeneinander statt ein fröhliches erotisches Miteinander.<br />• Im Endeffekt kommt es damit zur Beziehungslosigkeit in der Beziehung und Ent-Sexualisierung der Partnerschaft.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Ja das ist verheerend. Warum tun wir uns noch immer so verdammt schwer, ehrlich mit dem Partner über Sex und Erotik zu sprechen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Erste Wurzeln der Wortlosigkeit sind sicher die eigenen Eltern, wie vorher schon erwähnt. Das Vorbild oder Beispiel für offenes normales Sprechen über Erotik fehlt.<br />• Dazu kommt heute noch die Diskrepanz zwischen dem öffentlichen sexuellen Overloading und der eigenen persönlichen Zurückhaltung. Wenn ich in die Medien schaue, ist der Sex überrepräsentiert, er steht in noch größerem Kontrast zu meinem eigenen Leben oder meiner Art zu sprechen. Und das schafft noch mehr Druck und führt zu Schweigsamkeit. Dieser Sex-überall stößt zu recht viele auch ab, weil es nichts mit der eigentlichen Erotik und Nähe zu tun hat.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und die alltägliche Routine tut ein Übriges …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Ja, ein weiterer Hauptgrund ist sicher die allgemeine berufliche Belastung. Leistung erbringen, hat nichts mit Erotik oder erotischer Stimmung zu tun. Die berufliche Sprache ist meist charakterisiert durch Wortknappheit, Sachorientierung und Gefühlsferne, also weit entfernt von einer erotischen Sprache.<br />• Und zusätzlich kommt vor der Lust auf den erotischen Dialog, die Lust an Veränderung, Neugierde und eine große Portion an Eigeninitiative Wenn ich selbst nichts verändere, wird es bleiben, wie es ist.</p></div> Mysterium Mann - Die Lust des männlichen Geschlechts - Interview mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat 2015-07-07T11:58:11+02:00 2015-07-07T11:58:11+02:00 https://alpenwelt-tv.de/index.php/gesundheit/interview/246-gesundheit-im-interview/594-mysterium-mann-die-lust-des-maennlichen-geschlechts-interview-mit-der-aerztin-und-sexualtherapeutin-dr-jutta-kossat.html Petra Wagner wagner@text-fabrik.de <div class="feed-description"><p><em><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Brunnen_männlich.KL.jpg" alt="Brunnen männlich.KL" width="350" height="263" style="margin-right: 10px; float: left;" /></em></p> <p><em></em>Alpenwelt.TV in Kooperation mit <a href="http://www.koeln-insight.tv" target="_blank">Köln-Insight.TV </a>führte Gespräche für den "Kölner SexTalk" mit <a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de/" target="_blank">Dr. Jutta Kossat</a>, Priener Sexualtherapeutin. Hier zum Nachlesen.<br /><em>Köln-Insight.TV: Nach dem wir den Blick bei den bisherigen Interviews stark auf die weibliche Sexualität gerichtet haben, möchten uns nun dem Manne widmen. Wie funktioniert seine Erektion? In welchem Alter startet die Sexualität? Was macht ihn aus in seiner Sexualität? Was törnt ihn an? Welche optimalen Liebesbedingungen braucht er? Aber auch – welche Probleme können auftauchen … Wie funktioniert so eine Erektion. Wie wird der Penis steif?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Vereinfacht gesagt enthält der Penis schwammartiges muskuläres Gewebe, das von einer festen Hülle umgeben ist. Im nichtsteifen Zustand ist die Muskulatur zusammengezogen, dadurch ist ein Blutzufluss und Blutabfluss möglich.<br />Bei der Erektion erschlafft die Muskulatur, dadurch kommt es zu einem erhöhten Blutzufuhr und gleichzeitig vermindertem Blutabfluss. Das heißt im steifen Penis ist die Muskulatur entspannt und im nichtsteifen Penis zusammengezogen.<br />Dies erklärt, warum im Stress eine Erektion nicht zustande kommen kann. Die Erschlaffung der Muskulatur erfolgt durch das parasympathische Nervensystem, also durch das Nervensystem, das für Entspannung zuständig ist.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wie kommt es dann zur Ejakulation, also zum Ausstoß der Samen und der Samenflüssigkeit?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wieder vereinfacht gesagt, es kommt zum Zusammenziehen der Samenwege, vom Hoden und Nebenhoden über Samenleiter zu Prostata und Samenbläschen.<br />Nach der Ejakulation ist normalerweise nicht wieder gleich eine Erektion möglich, das nennt man die Refraktärzeit, diese kann aber bei Jugendlichen evtl. fast nicht vorhanden oder sehr kurz sein.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wann entdecken denn die Jungs ihre Sexualität?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Schon vor der Pubertät haben 20 bis 50 Prozent der Jungs ein sogenanntes autoerotisches Verhalten, das heißt, sie fassen sich im Genitalbereich an. Die erste Ejakulation erfolgt im 13. bis 15. Lebensjahr und die Masturbation startet bei ihnen durchschnittlich mit 14 Jahren.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Thema Aufklärung. Wir wurden ja eher nicht offen aufgeklärt. Heute sind die Zeiten, in denen Sex ein Tabuthema ist, doch längst vorbei. Wie oder wo informieren sich die Jungs über Sex – wo holen sie sich ihre Anregungen ein? Das Internet bietet doch in verlockender Weise freizügige und vielseitige Informationsmöglichkeiten …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die Kinder werden nach wie vor von Eltern, Freunden und durch den Schulunterricht aufgeklärt. Aber Sie haben recht, natürlich holen die Kinder und Jugendlichen sich auch Informationen aus dem Internet. Informationen sind das eine, Pornographie das andere.<br />Eine interessante Studie über Jugendsexualität im Internetzeitalter hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2013 gestartet.<br />Befragt wurden 160 Jungen und Mädchen im Alter von 16 bis 19 Jahren. 80 Prozent der Jungs hatten mehr als sporadische Erfahrung mit Pornographie. Die Internetpornographie ersetzt die herkömmlichen Onanievorlagen und erhöht nach dieser Studie die Masturbationsfrequenz aber nicht.<br />Das Fazit dieser Studie: Der Umgang der Jugendlichen mit Pornographie ist wesentlich unaufgeregter als die öffentliche Diskussion darüber.<br />Trotzdem muss man sagen, dass erstmals in der Kulturgeschichte Sexualität durch Zuschauen gelernt wird und nicht durch Ausprobieren – und wir wissen nicht, wie dieser realitätsferne Sex sich auswirken wird.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Nun zum erwachsenen Mann - wie tickt der sexuelle Mann 2015?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich glaube den typischen sexuellen Mann gibt es nicht. Aber was es gibt, ist, dass die Sexualität des Mannes mehr noch als die der Frau auf medientaugliche Klischees reduziert wird. Der Mann ist einfach strukturiert, Männer wollen nur das eine etc.<br />Wobei es heute, wie Saleem Rieck und Rainer Salm in ihrem Buch schreiben, zu jedem klassischen Klischee einen gleichfalls klischeehaften Gegenpol gibt: wie z. B. „Männer sind Egoisten im Bett – Männer wollen es immer nur der Frau recht machen“. „Männer können immer – Männer machen immer öfter schlapp“ etc.<br />Was ich damit sagen will, jeder Mann hat seine eigene individuelle Sexualität. Ob Männer durch die Aufhebung der typischen Rollenverteilung heute in ihrer männlichen Identität eher verunsichert sind, wäre sicher ein interessanter Diskussionspunkt.<br />Aber natürlich gibt es ein paar „Männerspezialitäten“, wie wir sie ja teilweise in den früheren Sendungen schon nannten.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und die wollen wir doch in jedem Fall auch hören!</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> In der Sexualmedizin heißt es 99 Prozent der Männer masturbieren und 1 Prozent lügt, kurz gesagt alle Männer masturbieren.<br />Männer leben ihre Sexualität auf welche Art und Weise auch immer, ob in Partnerschaft oder in der Selbstliebe. Dass ein Mann sagt, „auf Sex kann ich verzichten, das brauche ich nicht“, habe ich noch nie gehört.<br />Männer haben ein relativ hohes Maß an sexueller Präsens, das heißt sie denken häufig an Sex. Eine schöne Frau geht vorbei und sie stellen sich diese beim Sex vor. <br />Auch ist es natürlich so, sie haben durch das Spüren der Erektion einen direkteren Zugang zu ihrer Sexualität als Frauen. Ein sexueller Reiz führt unmittelbar zu einer körperlichen Reaktion, zu einer Erektion.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Bekanntermaßen tun wir Frauen uns damit schwerer, das zu spüren, was mit uns los ist.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Der isolierte sexuelle Reiz hat eine hohe Erregungskraft unabhängig von Interaktion, also von einer Beziehung.<br />Männer haben eine relativ hohe visuelle Fokussierung auf sexuelle Reize (Genitalien, Brust).<br />Sie haben häufig sexuelle Vorlieben, also Dinge, die sie besonders mögen, das Klischee wäre Reizwäsche mit High Heels. High Heels und sexy Wäsche dienen der Unterstreichung der erotischen Reize und stimulieren damit verstärkt den visuellen Kanal. Aber wie gesagt, wieder nur ein Klischee. Ich kennen genügend Aussagen von Männer, denen das gar nichts gibt und die sagen „das Auspacken mag ich gar nicht, lieber gleich nackt“.<br /><em>Köln-Insight.TV: Für unsere weibliche Zuhörerschaft – exklusiv – bitte nennen Sie noch ein paar ihrer Vorlieben … was törnt die Männer an?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Was wollen Sie hören? Es gibt drei Supertipps und wenn die Frau diese beherzigt, liegt ihr Traummann zu ihren Füßen? Da muss ich passen. Sie unterliegen wieder dem üblichen Irrtum „viel bewirkt viel“. Das hatten wir schon in vorigen Interviews. Denken Sie mal umgekehrt: Haben nur die schönsten, hübschesten, männerangepassten Frauen erfüllenden Sex? Wie klingt das für Sie? Richtig?</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Nein, und das ist ja auch beruhigend.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Aus meiner Praxis kann ich nur sagen Aussehen und Sextechnik hat nichts mit der Zufriedenheit im Sexualleben zu tun.<br />Wenn ich einem Mann gefallen möchte, dann ist der ultimative Tipp, ganz authentisch zu bleiben und so zu sein, wie man ist und wie man sich am wohlsten fühlt. Alles andere ist Quatsch, die ganzen Tricks und Tipps sind nutzlos. Vielleicht sind für den einen Overknee-Lackstiefel sehr erotisch und für den anderen sind die Stiefelchen nur hässlich.<br />Passend hierzu möchte ich David Schnarch, den führenden Sexualtherapeuten aus der USA, zitieren, der u. a. sagt, eine der wichtigsten Aspekte ist, ein stabiles und flexibles Selbst zu entwickeln. Bei sich zu bleiben. Klarheit zu haben, wer bin ich, was will ich und welche Ziele habe ich.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wir wollen es ganz genau wissen. Wie tickt der Mann dann schließlich beim eigentlichen sexuellen Akt? Gibt es wieder Typisches oder Tendenzen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wie schon gesagt, ist der Mann nach dem Orgasmus bzw. der Ejakulation nicht gleich wieder erregbar. Bei einem jüngeren Mann dauert es vielleicht nur ein paar Sekunden bis wieder eine Erektion möglich ist, beim einem älteren Mann kann es mehrere Stunden dauern, bis es wieder geht. Auch fällt die Erregung nach dem Orgasmus sehr schnell ab.<br />Und durch die hohe Ausschüttung des Bindungshormones Oxytoxcin beim Orgasmus werden Männer nach dem Sex müde, anders die Frau.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Was ist noch typisch für Männer?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Allgemein ist bei Männern das Interesse an Gelegenheitssex höher als bei Frauen.<br />Das Bewusstsein für Grundbedürfnisse ist geringer, das heißt, der Mann kann nicht formulieren oder ist sich oft nicht bewusst, dass er ein Bedürfnis nach Nähe, Akzeptanz, Angenommen-Sein und Sicherheit hat. Sexualität kann für ihn die einzige Möglichkeit sein, Gefühle zu fühlen und zu zeigen.<br />Zusätzlich können Männer unter extremen Stresssituationen sexuelle Impulse verspüren.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Mit welchen Problemen haben die Männer in Sachen Sex zu kämpfen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Teilweise kämpfen Männer mit ähnlichen Problemen wie die Frauen auch.<br />Beispielsweise nehmen bei den Männern die Luststörungen in den vergangenen Jahren auch zu. Die Diagnose gab es früher gar nicht.<br />Und auch Männer kämpfen mit Normvorstellungen wie z. B. ganz konkret in Sachen Penis. Sehr pikant schreibt das Bernie Zilbergeld in seinem leider schon etwas in die Jahre gekommen Buch. Das zweite Kapitel beginnt mit der Überschrift: „Er ist einen halben Meter lang, hart wie Stahl, allzeit bereit und haut dich von den Socken.“ Auch der von Zilbergeld genannte Mythos: „Beim Sex geht es um einen steifen Penis und was mit ihm gemacht wird“ gilt noch immer.<br />Das sogenannte Idealbild des Mannes, auch in Pornos präsentiert, stresst den Mann genauso wie die Frauen die Supermodels. Auch die Größe oder Nichtgröße des Penis trägt zu Verunsicherung bei.<br />Und es gibt natürlich noch die männerspezifischen Funktionsstörungen wie z. B. vorzeitiger Samenerguss oder die Erektionsstörung.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Was versteht man unter einem vorzeitigen Samenerguss?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Das ist eine ungewollte Ejakulation vor, bei oder kurz nach dem Eindringen in die Scheide. Per Definition ist die Zeit in der Vagina weniger als eine Minute oder anders gesagt, es sind nur ein oder zwei Stöße möglich. Oft sagen mir die Männer, sie kämen zu schnell, aber dabei handelt es sich nicht um einen vorzeitigen Samenerguss, sondern sie denken, sie müssten länger können und haben abwegige Vorstellungen von der Länge des Geschlechtsverkehrs.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wie lange dauert denn der durchschnittliche Geschlechtsverkehr, weiß man das?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wenn man alle Paare mit einschließt, dann sind es 5,4 Minuten, wenn man die Männer mit einem vorzeitigen Samenerguss weglässt, dann sind es 7,3 Minuten.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Oh – das ist aber nicht wirklich lang – also die Zeitangabe gilt am dem Moment der Penetration oder …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Ja, ab dem Zeitpunkt der Penetration. Kaum jemand schaut während der Erotik auf die Uhr, deshalb kommt es Ihnen wahrscheinlich kurz vor. Intensiv gefühlte Zeiten erleben wir subjektiv als länger.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Vorher haben Sie die Erektionsstörungen angesprochen. Welche Auswirkungen hat dies auf den Mann und sein Selbstwertgefühl?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Durch den Verlust der erektilen Potenz wird das körperliche, seelische, und soziale Selbstverständnis im Kern erschüttert, besonders bei jungen Männern. Als Jugendlicher oder junger Mann bedeutet dies ein totalitäres Eigenerleben, d. h. ein Teil von mir ist nicht okay, also ist alles nicht okay.<br />Ein- bis zweimal, keine Erektion zu bekommen, reicht aus für eine Chronifizierung bereits aus, was bedeutet, dass der Mann denkt: „Wenn ich meine Aufmerksamkeit auf meine Erektion richte, verliere ich sie.“ Der leiseste Gedanke, es könnte nicht gehen, genügt!</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Okay, also auch die männliche Sexualität kann belastet sein. Was ist denn mit der Sexsucht. Darunter litten ja wohl auch einige bekannte Schauspieler – so hat sich ja Michael Douglas einmal dazu bekannt. Was muss man sich darunter vorstellen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sex dient hierbei der Betäubung der inneren Leere. Wie das Wort schon sagt, ist das ein exzessives sexuelles Verlangen mit den typischen Suchtkriterien.<br />Das heißt, es kommt zu einer Entzugssymptomatik mit erhöhter Anspannung und Aggressivität. Eine Dosissteigerung wird notwendig. Die sozialen Interaktionen leiden, es wird gestritten, gelogen, sich isoliert und die Leistung sinkt allgemein ab.<br />Im Gegensatz zum Michale Douglas ist das bei den „Normalsterblichen“ meist in Form einer Pornosucht. Ursache der Pornosucht kann eine Beziehungsstörung sein, umgekehrt führt eine Pornosucht auch zur Beziehungsstörung.<br />Laut einer Online-Studie in den USA über Sex haben 2 Prozent der Studienteilnehmer alle Kriterien für eine Sexsucht erfüllt.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Eigentlich war unser Thema die männliche Lust - davon sind wir jetzt etwas abgekommen. Können Sie zum Schluss noch etwas Positives zur männlichen Lust sagen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Da möchte ich gerne die Männer selbst zitieren und berufe mich dabei auf eine Online- Umfrage, die von Saleem Rieck und Rainer Salm durchgeführt wurde. 341 Männer nahmen an der Umfrage teil.<br />Auf die Frage „was macht Sex für dich erfüllend?“ antworteten 76 % Liebe und Nähe zur Partnerin bzw. Partner. Die gleiche Antworten höre ich auch bei meiner klassischen Einstiegsfrage in der Praxis: Was bedeutet für Sie Sexualität? Praktisch alle Männer antworten „Sexualität bedeutet für mich Nähe, Ich-sein, und natürlich ist auch Lust dabei“.<br />Auf die Studien-Frage „Was lässt dich mit Freuden Mann sein?“ antworteten 57 % „wenn ich meine männliche Kraft spüre“ und 54 % „wenn ich liebe“.<br />Die gleichen Autoren machten noch eine Umfrage unter Therapeuten, die mit Männern arbeiten. 51 % dieser Therapeuten sehen keinen wesentlichen Unterschied in der Komplexität der männlichen und weiblichen Sexualität.<br />Mein Fazit: Männliche Sexualität ist anders und das ist gut so. Einfach den Mann, Mann sein lassen.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Ja das sind doch aufmunternde Fakten – so schlimm ist es um den Unterschied zwischen Mann und Frau wohl doch nicht gestellt – man muss die Verhaltensweisen nur richtig zu deuten verstehen …. bis zum nächsten Mal</em></p></div> <div class="feed-description"><p><em><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Brunnen_männlich.KL.jpg" alt="Brunnen männlich.KL" width="350" height="263" style="margin-right: 10px; float: left;" /></em></p> <p><em></em>Alpenwelt.TV in Kooperation mit <a href="http://www.koeln-insight.tv" target="_blank">Köln-Insight.TV </a>führte Gespräche für den "Kölner SexTalk" mit <a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de/" target="_blank">Dr. Jutta Kossat</a>, Priener Sexualtherapeutin. Hier zum Nachlesen.<br /><em>Köln-Insight.TV: Nach dem wir den Blick bei den bisherigen Interviews stark auf die weibliche Sexualität gerichtet haben, möchten uns nun dem Manne widmen. Wie funktioniert seine Erektion? In welchem Alter startet die Sexualität? Was macht ihn aus in seiner Sexualität? Was törnt ihn an? Welche optimalen Liebesbedingungen braucht er? Aber auch – welche Probleme können auftauchen … Wie funktioniert so eine Erektion. Wie wird der Penis steif?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Vereinfacht gesagt enthält der Penis schwammartiges muskuläres Gewebe, das von einer festen Hülle umgeben ist. Im nichtsteifen Zustand ist die Muskulatur zusammengezogen, dadurch ist ein Blutzufluss und Blutabfluss möglich.<br />Bei der Erektion erschlafft die Muskulatur, dadurch kommt es zu einem erhöhten Blutzufuhr und gleichzeitig vermindertem Blutabfluss. Das heißt im steifen Penis ist die Muskulatur entspannt und im nichtsteifen Penis zusammengezogen.<br />Dies erklärt, warum im Stress eine Erektion nicht zustande kommen kann. Die Erschlaffung der Muskulatur erfolgt durch das parasympathische Nervensystem, also durch das Nervensystem, das für Entspannung zuständig ist.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wie kommt es dann zur Ejakulation, also zum Ausstoß der Samen und der Samenflüssigkeit?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wieder vereinfacht gesagt, es kommt zum Zusammenziehen der Samenwege, vom Hoden und Nebenhoden über Samenleiter zu Prostata und Samenbläschen.<br />Nach der Ejakulation ist normalerweise nicht wieder gleich eine Erektion möglich, das nennt man die Refraktärzeit, diese kann aber bei Jugendlichen evtl. fast nicht vorhanden oder sehr kurz sein.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wann entdecken denn die Jungs ihre Sexualität?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Schon vor der Pubertät haben 20 bis 50 Prozent der Jungs ein sogenanntes autoerotisches Verhalten, das heißt, sie fassen sich im Genitalbereich an. Die erste Ejakulation erfolgt im 13. bis 15. Lebensjahr und die Masturbation startet bei ihnen durchschnittlich mit 14 Jahren.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Thema Aufklärung. Wir wurden ja eher nicht offen aufgeklärt. Heute sind die Zeiten, in denen Sex ein Tabuthema ist, doch längst vorbei. Wie oder wo informieren sich die Jungs über Sex – wo holen sie sich ihre Anregungen ein? Das Internet bietet doch in verlockender Weise freizügige und vielseitige Informationsmöglichkeiten …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die Kinder werden nach wie vor von Eltern, Freunden und durch den Schulunterricht aufgeklärt. Aber Sie haben recht, natürlich holen die Kinder und Jugendlichen sich auch Informationen aus dem Internet. Informationen sind das eine, Pornographie das andere.<br />Eine interessante Studie über Jugendsexualität im Internetzeitalter hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2013 gestartet.<br />Befragt wurden 160 Jungen und Mädchen im Alter von 16 bis 19 Jahren. 80 Prozent der Jungs hatten mehr als sporadische Erfahrung mit Pornographie. Die Internetpornographie ersetzt die herkömmlichen Onanievorlagen und erhöht nach dieser Studie die Masturbationsfrequenz aber nicht.<br />Das Fazit dieser Studie: Der Umgang der Jugendlichen mit Pornographie ist wesentlich unaufgeregter als die öffentliche Diskussion darüber.<br />Trotzdem muss man sagen, dass erstmals in der Kulturgeschichte Sexualität durch Zuschauen gelernt wird und nicht durch Ausprobieren – und wir wissen nicht, wie dieser realitätsferne Sex sich auswirken wird.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Nun zum erwachsenen Mann - wie tickt der sexuelle Mann 2015?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich glaube den typischen sexuellen Mann gibt es nicht. Aber was es gibt, ist, dass die Sexualität des Mannes mehr noch als die der Frau auf medientaugliche Klischees reduziert wird. Der Mann ist einfach strukturiert, Männer wollen nur das eine etc.<br />Wobei es heute, wie Saleem Rieck und Rainer Salm in ihrem Buch schreiben, zu jedem klassischen Klischee einen gleichfalls klischeehaften Gegenpol gibt: wie z. B. „Männer sind Egoisten im Bett – Männer wollen es immer nur der Frau recht machen“. „Männer können immer – Männer machen immer öfter schlapp“ etc.<br />Was ich damit sagen will, jeder Mann hat seine eigene individuelle Sexualität. Ob Männer durch die Aufhebung der typischen Rollenverteilung heute in ihrer männlichen Identität eher verunsichert sind, wäre sicher ein interessanter Diskussionspunkt.<br />Aber natürlich gibt es ein paar „Männerspezialitäten“, wie wir sie ja teilweise in den früheren Sendungen schon nannten.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und die wollen wir doch in jedem Fall auch hören!</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> In der Sexualmedizin heißt es 99 Prozent der Männer masturbieren und 1 Prozent lügt, kurz gesagt alle Männer masturbieren.<br />Männer leben ihre Sexualität auf welche Art und Weise auch immer, ob in Partnerschaft oder in der Selbstliebe. Dass ein Mann sagt, „auf Sex kann ich verzichten, das brauche ich nicht“, habe ich noch nie gehört.<br />Männer haben ein relativ hohes Maß an sexueller Präsens, das heißt sie denken häufig an Sex. Eine schöne Frau geht vorbei und sie stellen sich diese beim Sex vor. <br />Auch ist es natürlich so, sie haben durch das Spüren der Erektion einen direkteren Zugang zu ihrer Sexualität als Frauen. Ein sexueller Reiz führt unmittelbar zu einer körperlichen Reaktion, zu einer Erektion.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Bekanntermaßen tun wir Frauen uns damit schwerer, das zu spüren, was mit uns los ist.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Der isolierte sexuelle Reiz hat eine hohe Erregungskraft unabhängig von Interaktion, also von einer Beziehung.<br />Männer haben eine relativ hohe visuelle Fokussierung auf sexuelle Reize (Genitalien, Brust).<br />Sie haben häufig sexuelle Vorlieben, also Dinge, die sie besonders mögen, das Klischee wäre Reizwäsche mit High Heels. High Heels und sexy Wäsche dienen der Unterstreichung der erotischen Reize und stimulieren damit verstärkt den visuellen Kanal. Aber wie gesagt, wieder nur ein Klischee. Ich kennen genügend Aussagen von Männer, denen das gar nichts gibt und die sagen „das Auspacken mag ich gar nicht, lieber gleich nackt“.<br /><em>Köln-Insight.TV: Für unsere weibliche Zuhörerschaft – exklusiv – bitte nennen Sie noch ein paar ihrer Vorlieben … was törnt die Männer an?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Was wollen Sie hören? Es gibt drei Supertipps und wenn die Frau diese beherzigt, liegt ihr Traummann zu ihren Füßen? Da muss ich passen. Sie unterliegen wieder dem üblichen Irrtum „viel bewirkt viel“. Das hatten wir schon in vorigen Interviews. Denken Sie mal umgekehrt: Haben nur die schönsten, hübschesten, männerangepassten Frauen erfüllenden Sex? Wie klingt das für Sie? Richtig?</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Nein, und das ist ja auch beruhigend.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Aus meiner Praxis kann ich nur sagen Aussehen und Sextechnik hat nichts mit der Zufriedenheit im Sexualleben zu tun.<br />Wenn ich einem Mann gefallen möchte, dann ist der ultimative Tipp, ganz authentisch zu bleiben und so zu sein, wie man ist und wie man sich am wohlsten fühlt. Alles andere ist Quatsch, die ganzen Tricks und Tipps sind nutzlos. Vielleicht sind für den einen Overknee-Lackstiefel sehr erotisch und für den anderen sind die Stiefelchen nur hässlich.<br />Passend hierzu möchte ich David Schnarch, den führenden Sexualtherapeuten aus der USA, zitieren, der u. a. sagt, eine der wichtigsten Aspekte ist, ein stabiles und flexibles Selbst zu entwickeln. Bei sich zu bleiben. Klarheit zu haben, wer bin ich, was will ich und welche Ziele habe ich.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wir wollen es ganz genau wissen. Wie tickt der Mann dann schließlich beim eigentlichen sexuellen Akt? Gibt es wieder Typisches oder Tendenzen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wie schon gesagt, ist der Mann nach dem Orgasmus bzw. der Ejakulation nicht gleich wieder erregbar. Bei einem jüngeren Mann dauert es vielleicht nur ein paar Sekunden bis wieder eine Erektion möglich ist, beim einem älteren Mann kann es mehrere Stunden dauern, bis es wieder geht. Auch fällt die Erregung nach dem Orgasmus sehr schnell ab.<br />Und durch die hohe Ausschüttung des Bindungshormones Oxytoxcin beim Orgasmus werden Männer nach dem Sex müde, anders die Frau.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Was ist noch typisch für Männer?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Allgemein ist bei Männern das Interesse an Gelegenheitssex höher als bei Frauen.<br />Das Bewusstsein für Grundbedürfnisse ist geringer, das heißt, der Mann kann nicht formulieren oder ist sich oft nicht bewusst, dass er ein Bedürfnis nach Nähe, Akzeptanz, Angenommen-Sein und Sicherheit hat. Sexualität kann für ihn die einzige Möglichkeit sein, Gefühle zu fühlen und zu zeigen.<br />Zusätzlich können Männer unter extremen Stresssituationen sexuelle Impulse verspüren.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Mit welchen Problemen haben die Männer in Sachen Sex zu kämpfen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Teilweise kämpfen Männer mit ähnlichen Problemen wie die Frauen auch.<br />Beispielsweise nehmen bei den Männern die Luststörungen in den vergangenen Jahren auch zu. Die Diagnose gab es früher gar nicht.<br />Und auch Männer kämpfen mit Normvorstellungen wie z. B. ganz konkret in Sachen Penis. Sehr pikant schreibt das Bernie Zilbergeld in seinem leider schon etwas in die Jahre gekommen Buch. Das zweite Kapitel beginnt mit der Überschrift: „Er ist einen halben Meter lang, hart wie Stahl, allzeit bereit und haut dich von den Socken.“ Auch der von Zilbergeld genannte Mythos: „Beim Sex geht es um einen steifen Penis und was mit ihm gemacht wird“ gilt noch immer.<br />Das sogenannte Idealbild des Mannes, auch in Pornos präsentiert, stresst den Mann genauso wie die Frauen die Supermodels. Auch die Größe oder Nichtgröße des Penis trägt zu Verunsicherung bei.<br />Und es gibt natürlich noch die männerspezifischen Funktionsstörungen wie z. B. vorzeitiger Samenerguss oder die Erektionsstörung.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Was versteht man unter einem vorzeitigen Samenerguss?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Das ist eine ungewollte Ejakulation vor, bei oder kurz nach dem Eindringen in die Scheide. Per Definition ist die Zeit in der Vagina weniger als eine Minute oder anders gesagt, es sind nur ein oder zwei Stöße möglich. Oft sagen mir die Männer, sie kämen zu schnell, aber dabei handelt es sich nicht um einen vorzeitigen Samenerguss, sondern sie denken, sie müssten länger können und haben abwegige Vorstellungen von der Länge des Geschlechtsverkehrs.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wie lange dauert denn der durchschnittliche Geschlechtsverkehr, weiß man das?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wenn man alle Paare mit einschließt, dann sind es 5,4 Minuten, wenn man die Männer mit einem vorzeitigen Samenerguss weglässt, dann sind es 7,3 Minuten.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Oh – das ist aber nicht wirklich lang – also die Zeitangabe gilt am dem Moment der Penetration oder …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Ja, ab dem Zeitpunkt der Penetration. Kaum jemand schaut während der Erotik auf die Uhr, deshalb kommt es Ihnen wahrscheinlich kurz vor. Intensiv gefühlte Zeiten erleben wir subjektiv als länger.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Vorher haben Sie die Erektionsstörungen angesprochen. Welche Auswirkungen hat dies auf den Mann und sein Selbstwertgefühl?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Durch den Verlust der erektilen Potenz wird das körperliche, seelische, und soziale Selbstverständnis im Kern erschüttert, besonders bei jungen Männern. Als Jugendlicher oder junger Mann bedeutet dies ein totalitäres Eigenerleben, d. h. ein Teil von mir ist nicht okay, also ist alles nicht okay.<br />Ein- bis zweimal, keine Erektion zu bekommen, reicht aus für eine Chronifizierung bereits aus, was bedeutet, dass der Mann denkt: „Wenn ich meine Aufmerksamkeit auf meine Erektion richte, verliere ich sie.“ Der leiseste Gedanke, es könnte nicht gehen, genügt!</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Okay, also auch die männliche Sexualität kann belastet sein. Was ist denn mit der Sexsucht. Darunter litten ja wohl auch einige bekannte Schauspieler – so hat sich ja Michael Douglas einmal dazu bekannt. Was muss man sich darunter vorstellen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sex dient hierbei der Betäubung der inneren Leere. Wie das Wort schon sagt, ist das ein exzessives sexuelles Verlangen mit den typischen Suchtkriterien.<br />Das heißt, es kommt zu einer Entzugssymptomatik mit erhöhter Anspannung und Aggressivität. Eine Dosissteigerung wird notwendig. Die sozialen Interaktionen leiden, es wird gestritten, gelogen, sich isoliert und die Leistung sinkt allgemein ab.<br />Im Gegensatz zum Michale Douglas ist das bei den „Normalsterblichen“ meist in Form einer Pornosucht. Ursache der Pornosucht kann eine Beziehungsstörung sein, umgekehrt führt eine Pornosucht auch zur Beziehungsstörung.<br />Laut einer Online-Studie in den USA über Sex haben 2 Prozent der Studienteilnehmer alle Kriterien für eine Sexsucht erfüllt.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Eigentlich war unser Thema die männliche Lust - davon sind wir jetzt etwas abgekommen. Können Sie zum Schluss noch etwas Positives zur männlichen Lust sagen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Da möchte ich gerne die Männer selbst zitieren und berufe mich dabei auf eine Online- Umfrage, die von Saleem Rieck und Rainer Salm durchgeführt wurde. 341 Männer nahmen an der Umfrage teil.<br />Auf die Frage „was macht Sex für dich erfüllend?“ antworteten 76 % Liebe und Nähe zur Partnerin bzw. Partner. Die gleiche Antworten höre ich auch bei meiner klassischen Einstiegsfrage in der Praxis: Was bedeutet für Sie Sexualität? Praktisch alle Männer antworten „Sexualität bedeutet für mich Nähe, Ich-sein, und natürlich ist auch Lust dabei“.<br />Auf die Studien-Frage „Was lässt dich mit Freuden Mann sein?“ antworteten 57 % „wenn ich meine männliche Kraft spüre“ und 54 % „wenn ich liebe“.<br />Die gleichen Autoren machten noch eine Umfrage unter Therapeuten, die mit Männern arbeiten. 51 % dieser Therapeuten sehen keinen wesentlichen Unterschied in der Komplexität der männlichen und weiblichen Sexualität.<br />Mein Fazit: Männliche Sexualität ist anders und das ist gut so. Einfach den Mann, Mann sein lassen.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Ja das sind doch aufmunternde Fakten – so schlimm ist es um den Unterschied zwischen Mann und Frau wohl doch nicht gestellt – man muss die Verhaltensweisen nur richtig zu deuten verstehen …. bis zum nächsten Mal</em></p></div> Klitoris: Die Lustperle der Frau im Wandel der Zeit - Interview mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat 2015-07-07T11:42:27+02:00 2015-07-07T11:42:27+02:00 https://alpenwelt-tv.de/index.php/gesundheit/interview/246-gesundheit-im-interview/593-klitoris-die-lustperle-der-frau-im-wandel-der-zeit-interview-mit-der-aerztin-und-sexualtherapeutin-dr-jutta-kossat.html Petra Wagner wagner@text-fabrik.de <div class="feed-description"><p><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Amaryllis_KL.jpg" alt="Amaryllis KL" width="350" height="263" style="margin-right: 10px; float: left;" />Dr. Jutta Kossat im Gespräch mit Alpenwelt.TV für die Radiosendung "Kölner SexTalk" von Köln-Insight.TV - hier zum Nachlesen.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Was ist über die Klitoris in der Geschichte bekannt? Wann wurde sie entdeckt? Was wissen wir heute darüber? Wie beeinflussen uns die Geschichten von früher? Um dieses Thema kreist unser Gespräch heute.</em><br /><em>Frau Dr. Kossat – was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Klitoris?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Der Begriff stammt aus dem Griechischen und heißt kleiner Hügel. Die Klitoris ist ein Gewebe aus verschiedenen Muskelfasern, Bindegewebe, Blutgefäßen und Nerven. Sie ist das einzige Organ des Menschen, das nur dem Vergnügen dient.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Seit wann ist es bekannt, dass wir Frauen eine Klitoris haben?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die Klitoris wurde im Laufe der Jahrhunderte von Medizinern beschrieben, dann ignoriert und wieder neu entdeckt Sie ist schon seit der Antike bekannt – die Griechen betrachteten sie entweder als unvollkommene Version des Penis oder in gewagter Analogie zu Gaumenzäpfen als Wächterin am Eingang der Gebärmutter. <br />Im 16. Jahrhundert entdeckte Fallopio die Klitoris als eigenständigen Körperteil wieder und sein Rivale Colombo war der erste, der etwas über sie veröffentlichte. 1595 bezeichnete er sie als kleines, sehr hübsches Organ. <br />Sein Lehrer Vesalius bezeichnete sie hingegen als „nutzlosen Teil im Unterschied zu den Organen.“ Seiner Meinung nach war die Klitoris nur eine „zu beobachtende Fehlbildung“. Diese Ansicht ging zunächst in die Geschichte ein. <br />Im 18. Jahrhundert beschreibt sie der niederländische Arzt Bernard Mandeville dann wieder als lustspendendes Zentrum des weiblichen Begehrens.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Also ein ständiges Auf und Ab über die Existenz der Klitoris. Die Mediziner konnten sich wohl keinen Reim auf das kleine, lustbringende Geschlecht machen – wie ging es dann im 19. und 20. Jahrhundert weiter?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Im 19. Jahrhundert kam es zu Klitorisentfernungen. Die genaue Zahl der Frauen, die zu dieser Zeit sowie Anfang des 20. Jahrhunderts von Ärzten beschnitten wurden, ist nicht bekannt. Aus England ist bekannt, das der Arzt Isaac Baker Brown 47 Klitorisentfernungen vornahm, um psychische Krankheiten zu heilen. Dies führte letztendlich zu einem Ausschluss Browns aus der Ärzteschaft. <br />Aber wie Frau Marion Hulverscheidt (2000) in ihrer Dissertation über weibliche Genitalverstümmelungen im 19. Jahrhundert schreibt, kam es dazu nicht etwa, weil er einige Frauen gegen ihren Willen operierte, sondern weil er deren Ehemänner nicht informierte.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wie unerhört – wussten denn die Mediziner nicht um die Funktion der Klitoris?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Doch, die Funktion der Klitoris für den Orgasmus war sehr wohl bekannt, nur dachte man damals, ein Orgasmus sei eine zwingende Voraussetzung für die Empfängnis. Eine Klitorisentfernung kam damit einer Sterilisation gleich.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Unfassbar – und das im 19. Jahrhundert – das ist ja noch gar nicht so lange her.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Noch bis 1905 wurden den Frauen in den USA die Schamlippen zugenäht, um eine Masturbation zu verhindern. Zusammenfassend muss man sagen, dass Ärzte die Indikation für eine Klitorisentfernung stellten bei Hysterie, Epilepsie, Melancholie sogar Kleptomanie oder bei Homosexualität.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und wir empören uns, dass noch immer in den afrikanischen Staaten Frauen an den Genitalien verstümmelt werden …</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die Genitalverstümmelungen damals sind von ihren Auswirkungen mit der heutigen Female Genital Mutilation, also der weiblichen Genitalverstümmelung zu vergleichen, nur dass sie von Ärzten durchgeführt wurden mit einer anderen Begründung. <br /><em>Köln-Insight.TV: … aber das ist ja noch schlimmer, das waren ja studierte Männer, Wissenschaftler …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nach Angaben von UNICEF sind weltweit ca. 125 Millionen Frauen und Mädchen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen, vor allem im nördlichen Afrika, aber auch in südostasiatischen Ländern. Auch in Deutschland leben nach Schätzungen von Terre des Femmes rund 25.000 Mädchen und Frauen, deren Genitalien verstümmelt worden sind.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wieder zurück zu der Geschichte, wie ging es Anfang des 20 Jahrhunderts dann weiter?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Zeitgleich zu den vorher genannten Klitorisentfernungen entwickelte der Engländer Joseph Mortimer Granville 1883 einen elektrischen Vibrator. Er empfahl das Gerät, um die verspannten Muskeln männlicher Patienten zu lockern. Jedoch benutzte die Ärzteschaft diesen Vibrator zur Behandlung der weiblichen Hysterie. <br />Bis dahin hatten die Ärzte die Klitoris manuell stimuliert, um den Stau der weiblichen Körpersäfte zu lösen. Den Sitz der weiblichen Hysterie vermutete man in der Gebärmutter. Noch heute nennt man die Gebärmutterentfernung Hysterektomie.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Was sagten denn die Ehemänner dazu, wenn die Ärzte ihre Frauen so behandelten?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Per ärztlicher Klitorismassage kam es zu einem „hysterischen Ausbruch“ bzw. zu einem Orgasmus. Dieser vermeintliche hysterische Anfall wurde aber nicht als Orgasmus erkannt. Man nahm damals an, dass es durch das Eindringen des Penis zu einem Orgasmus kommt, das wurde als der eigentliche sexuelle Akt erachtet, deshalb hatten die Ehemänner mit der Massage kein Problem. Wahrscheinlich fanden die Therapieform die meisten Damen auch sehr angenehm. Auch Reiten, Eisenbahnfahrten oder Duschbäder wurden zur Behandlung der Hysterie empfohlen. Wir Frauen wissen warum …</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Na das ist ja mal eine Behandlungsmethode, um hysterische Frauen zu heilen – unglaublich. Hysterie – was verstand man denn überhaupt darunter?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Unter Hysterie verstand man unspezifische Beschwerden wie Kopfschmerz, Schlaflosigkeit und emotionale Verstimmung. Die Hysterie war eine absolute Modediagnose in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. <br />Im Jahr 1900 gab es in der Pariser Weltausstellung bereits über ein Dutzend verschiedener Vibratoren. Er wurde zunehmend als Allerwelts-Heilmittel eingesetzt und zu Anfang des 20. Jahrhunderts mit Werbeslogans wie „mild, beruhigend, belebend, erfrischend. Von einer Frau entwickelt, die weiß, was Frauen brauchen" beworben, auch für zu Hause.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Der heilende, glücksbringende Vibrator auf Rezept – ne tolle Vorstellung.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ende der zwanziger Jahre verschwanden die Vibratoren dann plötzlich von der Bildfläche. Die Historikerin Rachel Maines vermutet ("The Technology of Orgasm", 1999), dass die Kenntnisse um den weiblichen Orgasmus und auch das Vorkommen des Vibrators in erotischen Filmen den Vibrator nicht mehr gesellschaftsfähig machten.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wie ging es mit der medizinischen Betrachtung und Einschätzung der Klitoris weiter …</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sigmund Freud betrachtete Anfang des 20. Jahrhunderts die Klitoris als minderwertigen Penis und die Frau als kastriertes Mangelwesen mit Neid auf den Penis des Mannes. Auch beschreibt er den klitoralen Orgasmus als unreifen Orgasmus. Das dies historisch heute noch nachwirkt, bestätigte mir erst diese Woche eine Patientin, die sagte: „Aber nach Freud ist doch nur der vaginale Orgasmus ein richtiger Orgasmus.“</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und was ist der aktuelle Stand heute?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Auch heute gibt es immer noch die Ansicht, dass eine Stimulation der Klitoris schädliche Konsequenzen haben könnte, entsprechende Autoren zitiert der Wissenschaftler Roy Levine in einer seiner erst kürzlich erschienen Publikation (siehe Roy J. Levin: Recreation and Procreation: A critical View of Sex in the Human Female, in Clinical Anatomy 28: 339-354, 2015). <br />Ein Jahrhundert lang wurde die Klitoris nicht mehr weiter erforscht. Erst ab 1998 wieder. Bahnbrechend war dann die Erkenntnis der australischen Urologin Helen O´Connell, dass die Klitoris nicht nur aus einer kleinen Klitoriseichel besteht, sondern wesentlich größer ist und tief in den Körper hineinreicht.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Vor nicht mal 20 Jahren erst – das müssen Sie uns jetzt genauer erklären. Wie setzt sich die Lustperle nach heutigem Wissen zusammen!</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Die Klitorisspitze ist der einzige Teil der Klitoris, der zu sehen ist; sie liegt zwischen Harnröhrenausgang und Schambein. <br />• Die Klitorisspitze enthält sehr viele Nervenfasern, doppelt so viele wie die Peniseichel des Mannes und kann von daher sehr empfindlich sein, so dass manche Frauen eine direkte und zu intensive Stimulation nicht als angenehm empfinden.<br />• Die Klitorisspitze geht in den tieferliegenden Klitoriskörper über. <br />• Vom Klitoriskörper gehen zwei Fortsätze von bis zu neun Zentimeter seitlich in die Tiefe des Körpers. Diese Fortsätze werden als Klitorisschenkel bezeichnet. Die Klitorisschenkel laufen innerhalb des Beckens entlang der Schambeinäste.<br />• Zusätzlich gehören noch zwei mächtige Schwellkörper zum Klitoris-Komplex dazu, die von dem Klitoriskörper bis zum unteren Drittel der Scheide, der Vagina, ziehen. <br />• Die Klitoris ist also nicht nur ein kleines „erbsengroßes Gewebe“, sondern wesentlich umfassender als ursprünglich gedacht und damit individuell sehr unterschiedlich stimulierbar.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wenn wir so wenig von der Lustperle der Frau wissen, wie sollen wir dann deren Sexualität und Lustempfinden verstehen – wir und vor allem die Männer sind doch damit eigentlich völlig überfordert oder?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Erst Ende 2014 erschien ein Artikel des Wissenschaftlers Roy Levine, der anhand zahlreicher zusammengefasster Studien aufzeigt, dass es noch viele offene Fragen bezüglich der weiblichen Sexualität gibt. Seine Aussagen sind u. a.:<br />• Es gibt bis jetzt keinen wissenschaftlich untermauerten Vorteil, dass sich die Fruchtbarkeit der Frau erhöht, wenn sie beim Geschlechtsverkehr einen Orgasmus bekommt. <br />• Und daraus ergibt sich die große unbeantwortete Frage: Warum ist die Klitoris die am leichtesten erregbare Struktur des weiblichen Genitals, wenn sie keinen klar erkennbaren Vorteil für die Evolution, also für die Fortpflanzung hat?<br />• Warum ist das so, wenn die Klitoris bis jetzt nur eine Funktion hat – und die ist, sexuelles Vergnügen zu kreieren?</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Das ist in der Tat eine große Frage, mit der sich offenbar bisher zu wenig Forscher beschäftigt haben. Was glauben Sie, wie wirkt sich diese doch immense Unwissenheit auf die erlebte Sexualität der Frau aus?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die sich durch die Jahrhunderte ziehende Unwissenheit oder Fehlinterpretation über die Klitoris wirkt sich auch heute noch auf unsere Sexualität aus. Für mich erklärt das die oft gehemmte Lebensfreude und die häufig unbewussten Einschränkungen der Frauen in ihrer Sinnlichkeit.<br />Erst heute hat mir eine wirklich sinnliche Frau wieder gesagt, wenn sie die Initiative beim Sex ergreift, fühlt sie sich nicht gut, obwohl sie eigentlich Lust hat. Sie fühlt sich, wie wenn es ihr nicht erlaubt sei. Das kann eine Folge der Erziehung oder aber eines historisch bedingten, kollektiven Bewusstseins sein, es zeigt, dass unsere Sexualität nicht frei von der Vergangenheit ist – und dass immer noch in unseren Köpfen steckt, dass Frauen ihre Lust nicht offen und voller Lebensfreude zeigen und ausleben dürfen.</p></div> <div class="feed-description"><p><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Amaryllis_KL.jpg" alt="Amaryllis KL" width="350" height="263" style="margin-right: 10px; float: left;" />Dr. Jutta Kossat im Gespräch mit Alpenwelt.TV für die Radiosendung "Kölner SexTalk" von Köln-Insight.TV - hier zum Nachlesen.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Was ist über die Klitoris in der Geschichte bekannt? Wann wurde sie entdeckt? Was wissen wir heute darüber? Wie beeinflussen uns die Geschichten von früher? Um dieses Thema kreist unser Gespräch heute.</em><br /><em>Frau Dr. Kossat – was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Klitoris?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Der Begriff stammt aus dem Griechischen und heißt kleiner Hügel. Die Klitoris ist ein Gewebe aus verschiedenen Muskelfasern, Bindegewebe, Blutgefäßen und Nerven. Sie ist das einzige Organ des Menschen, das nur dem Vergnügen dient.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Seit wann ist es bekannt, dass wir Frauen eine Klitoris haben?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die Klitoris wurde im Laufe der Jahrhunderte von Medizinern beschrieben, dann ignoriert und wieder neu entdeckt Sie ist schon seit der Antike bekannt – die Griechen betrachteten sie entweder als unvollkommene Version des Penis oder in gewagter Analogie zu Gaumenzäpfen als Wächterin am Eingang der Gebärmutter. <br />Im 16. Jahrhundert entdeckte Fallopio die Klitoris als eigenständigen Körperteil wieder und sein Rivale Colombo war der erste, der etwas über sie veröffentlichte. 1595 bezeichnete er sie als kleines, sehr hübsches Organ. <br />Sein Lehrer Vesalius bezeichnete sie hingegen als „nutzlosen Teil im Unterschied zu den Organen.“ Seiner Meinung nach war die Klitoris nur eine „zu beobachtende Fehlbildung“. Diese Ansicht ging zunächst in die Geschichte ein. <br />Im 18. Jahrhundert beschreibt sie der niederländische Arzt Bernard Mandeville dann wieder als lustspendendes Zentrum des weiblichen Begehrens.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Also ein ständiges Auf und Ab über die Existenz der Klitoris. Die Mediziner konnten sich wohl keinen Reim auf das kleine, lustbringende Geschlecht machen – wie ging es dann im 19. und 20. Jahrhundert weiter?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Im 19. Jahrhundert kam es zu Klitorisentfernungen. Die genaue Zahl der Frauen, die zu dieser Zeit sowie Anfang des 20. Jahrhunderts von Ärzten beschnitten wurden, ist nicht bekannt. Aus England ist bekannt, das der Arzt Isaac Baker Brown 47 Klitorisentfernungen vornahm, um psychische Krankheiten zu heilen. Dies führte letztendlich zu einem Ausschluss Browns aus der Ärzteschaft. <br />Aber wie Frau Marion Hulverscheidt (2000) in ihrer Dissertation über weibliche Genitalverstümmelungen im 19. Jahrhundert schreibt, kam es dazu nicht etwa, weil er einige Frauen gegen ihren Willen operierte, sondern weil er deren Ehemänner nicht informierte.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wie unerhört – wussten denn die Mediziner nicht um die Funktion der Klitoris?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Doch, die Funktion der Klitoris für den Orgasmus war sehr wohl bekannt, nur dachte man damals, ein Orgasmus sei eine zwingende Voraussetzung für die Empfängnis. Eine Klitorisentfernung kam damit einer Sterilisation gleich.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Unfassbar – und das im 19. Jahrhundert – das ist ja noch gar nicht so lange her.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Noch bis 1905 wurden den Frauen in den USA die Schamlippen zugenäht, um eine Masturbation zu verhindern. Zusammenfassend muss man sagen, dass Ärzte die Indikation für eine Klitorisentfernung stellten bei Hysterie, Epilepsie, Melancholie sogar Kleptomanie oder bei Homosexualität.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und wir empören uns, dass noch immer in den afrikanischen Staaten Frauen an den Genitalien verstümmelt werden …</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die Genitalverstümmelungen damals sind von ihren Auswirkungen mit der heutigen Female Genital Mutilation, also der weiblichen Genitalverstümmelung zu vergleichen, nur dass sie von Ärzten durchgeführt wurden mit einer anderen Begründung. <br /><em>Köln-Insight.TV: … aber das ist ja noch schlimmer, das waren ja studierte Männer, Wissenschaftler …</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nach Angaben von UNICEF sind weltweit ca. 125 Millionen Frauen und Mädchen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen, vor allem im nördlichen Afrika, aber auch in südostasiatischen Ländern. Auch in Deutschland leben nach Schätzungen von Terre des Femmes rund 25.000 Mädchen und Frauen, deren Genitalien verstümmelt worden sind.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wieder zurück zu der Geschichte, wie ging es Anfang des 20 Jahrhunderts dann weiter?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Zeitgleich zu den vorher genannten Klitorisentfernungen entwickelte der Engländer Joseph Mortimer Granville 1883 einen elektrischen Vibrator. Er empfahl das Gerät, um die verspannten Muskeln männlicher Patienten zu lockern. Jedoch benutzte die Ärzteschaft diesen Vibrator zur Behandlung der weiblichen Hysterie. <br />Bis dahin hatten die Ärzte die Klitoris manuell stimuliert, um den Stau der weiblichen Körpersäfte zu lösen. Den Sitz der weiblichen Hysterie vermutete man in der Gebärmutter. Noch heute nennt man die Gebärmutterentfernung Hysterektomie.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Was sagten denn die Ehemänner dazu, wenn die Ärzte ihre Frauen so behandelten?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Per ärztlicher Klitorismassage kam es zu einem „hysterischen Ausbruch“ bzw. zu einem Orgasmus. Dieser vermeintliche hysterische Anfall wurde aber nicht als Orgasmus erkannt. Man nahm damals an, dass es durch das Eindringen des Penis zu einem Orgasmus kommt, das wurde als der eigentliche sexuelle Akt erachtet, deshalb hatten die Ehemänner mit der Massage kein Problem. Wahrscheinlich fanden die Therapieform die meisten Damen auch sehr angenehm. Auch Reiten, Eisenbahnfahrten oder Duschbäder wurden zur Behandlung der Hysterie empfohlen. Wir Frauen wissen warum …</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Na das ist ja mal eine Behandlungsmethode, um hysterische Frauen zu heilen – unglaublich. Hysterie – was verstand man denn überhaupt darunter?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Unter Hysterie verstand man unspezifische Beschwerden wie Kopfschmerz, Schlaflosigkeit und emotionale Verstimmung. Die Hysterie war eine absolute Modediagnose in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. <br />Im Jahr 1900 gab es in der Pariser Weltausstellung bereits über ein Dutzend verschiedener Vibratoren. Er wurde zunehmend als Allerwelts-Heilmittel eingesetzt und zu Anfang des 20. Jahrhunderts mit Werbeslogans wie „mild, beruhigend, belebend, erfrischend. Von einer Frau entwickelt, die weiß, was Frauen brauchen" beworben, auch für zu Hause.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Der heilende, glücksbringende Vibrator auf Rezept – ne tolle Vorstellung.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ende der zwanziger Jahre verschwanden die Vibratoren dann plötzlich von der Bildfläche. Die Historikerin Rachel Maines vermutet ("The Technology of Orgasm", 1999), dass die Kenntnisse um den weiblichen Orgasmus und auch das Vorkommen des Vibrators in erotischen Filmen den Vibrator nicht mehr gesellschaftsfähig machten.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wie ging es mit der medizinischen Betrachtung und Einschätzung der Klitoris weiter …</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sigmund Freud betrachtete Anfang des 20. Jahrhunderts die Klitoris als minderwertigen Penis und die Frau als kastriertes Mangelwesen mit Neid auf den Penis des Mannes. Auch beschreibt er den klitoralen Orgasmus als unreifen Orgasmus. Das dies historisch heute noch nachwirkt, bestätigte mir erst diese Woche eine Patientin, die sagte: „Aber nach Freud ist doch nur der vaginale Orgasmus ein richtiger Orgasmus.“</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Und was ist der aktuelle Stand heute?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Auch heute gibt es immer noch die Ansicht, dass eine Stimulation der Klitoris schädliche Konsequenzen haben könnte, entsprechende Autoren zitiert der Wissenschaftler Roy Levine in einer seiner erst kürzlich erschienen Publikation (siehe Roy J. Levin: Recreation and Procreation: A critical View of Sex in the Human Female, in Clinical Anatomy 28: 339-354, 2015). <br />Ein Jahrhundert lang wurde die Klitoris nicht mehr weiter erforscht. Erst ab 1998 wieder. Bahnbrechend war dann die Erkenntnis der australischen Urologin Helen O´Connell, dass die Klitoris nicht nur aus einer kleinen Klitoriseichel besteht, sondern wesentlich größer ist und tief in den Körper hineinreicht.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Vor nicht mal 20 Jahren erst – das müssen Sie uns jetzt genauer erklären. Wie setzt sich die Lustperle nach heutigem Wissen zusammen!</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Die Klitorisspitze ist der einzige Teil der Klitoris, der zu sehen ist; sie liegt zwischen Harnröhrenausgang und Schambein. <br />• Die Klitorisspitze enthält sehr viele Nervenfasern, doppelt so viele wie die Peniseichel des Mannes und kann von daher sehr empfindlich sein, so dass manche Frauen eine direkte und zu intensive Stimulation nicht als angenehm empfinden.<br />• Die Klitorisspitze geht in den tieferliegenden Klitoriskörper über. <br />• Vom Klitoriskörper gehen zwei Fortsätze von bis zu neun Zentimeter seitlich in die Tiefe des Körpers. Diese Fortsätze werden als Klitorisschenkel bezeichnet. Die Klitorisschenkel laufen innerhalb des Beckens entlang der Schambeinäste.<br />• Zusätzlich gehören noch zwei mächtige Schwellkörper zum Klitoris-Komplex dazu, die von dem Klitoriskörper bis zum unteren Drittel der Scheide, der Vagina, ziehen. <br />• Die Klitoris ist also nicht nur ein kleines „erbsengroßes Gewebe“, sondern wesentlich umfassender als ursprünglich gedacht und damit individuell sehr unterschiedlich stimulierbar.</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Wenn wir so wenig von der Lustperle der Frau wissen, wie sollen wir dann deren Sexualität und Lustempfinden verstehen – wir und vor allem die Männer sind doch damit eigentlich völlig überfordert oder?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Erst Ende 2014 erschien ein Artikel des Wissenschaftlers Roy Levine, der anhand zahlreicher zusammengefasster Studien aufzeigt, dass es noch viele offene Fragen bezüglich der weiblichen Sexualität gibt. Seine Aussagen sind u. a.:<br />• Es gibt bis jetzt keinen wissenschaftlich untermauerten Vorteil, dass sich die Fruchtbarkeit der Frau erhöht, wenn sie beim Geschlechtsverkehr einen Orgasmus bekommt. <br />• Und daraus ergibt sich die große unbeantwortete Frage: Warum ist die Klitoris die am leichtesten erregbare Struktur des weiblichen Genitals, wenn sie keinen klar erkennbaren Vorteil für die Evolution, also für die Fortpflanzung hat?<br />• Warum ist das so, wenn die Klitoris bis jetzt nur eine Funktion hat – und die ist, sexuelles Vergnügen zu kreieren?</p> <p><em>Köln-Insight.TV: Das ist in der Tat eine große Frage, mit der sich offenbar bisher zu wenig Forscher beschäftigt haben. Was glauben Sie, wie wirkt sich diese doch immense Unwissenheit auf die erlebte Sexualität der Frau aus?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die sich durch die Jahrhunderte ziehende Unwissenheit oder Fehlinterpretation über die Klitoris wirkt sich auch heute noch auf unsere Sexualität aus. Für mich erklärt das die oft gehemmte Lebensfreude und die häufig unbewussten Einschränkungen der Frauen in ihrer Sinnlichkeit.<br />Erst heute hat mir eine wirklich sinnliche Frau wieder gesagt, wenn sie die Initiative beim Sex ergreift, fühlt sie sich nicht gut, obwohl sie eigentlich Lust hat. Sie fühlt sich, wie wenn es ihr nicht erlaubt sei. Das kann eine Folge der Erziehung oder aber eines historisch bedingten, kollektiven Bewusstseins sein, es zeigt, dass unsere Sexualität nicht frei von der Vergangenheit ist – und dass immer noch in unseren Köpfen steckt, dass Frauen ihre Lust nicht offen und voller Lebensfreude zeigen und ausleben dürfen.</p></div> Sexuelle Wünsche & Fantasien - Interview mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat 2015-06-17T17:24:36+02:00 2015-06-17T17:24:36+02:00 https://alpenwelt-tv.de/index.php/gesundheit/interview/246-gesundheit-im-interview/574-sexuelle-wuensche-fantasien-interview-mit-der-aerztin-und-sexualtherapeutin-dr-jutta-kossat.html Petra Wagner wagner@text-fabrik.de <div class="feed-description"><p><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Stachelblume_beschn.jpg" alt="Stachelblume beschn" width="350" style="margin-right: 10px; float: left;" /><strong>Interview mit der Priener&nbsp;<a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de/" target="_blank">Sexual- und Partnertherapeutin Dr. Jutta Kossat</a>&nbsp;im Rahmen des „Kölner SexTalks“ für&nbsp;<a href="http://www.koeln-insight.tv/index.php?option=com_content&amp;view=article&amp;id=8800:interview-reihe-koelner-sextalk-bei-koeln-insight-tv-radio-edition-heute-ab-20uhr-die-lustlose-frau-gibt-es-nicht&amp;catid=98&amp;Itemid=129" target="_blank">Köln-Insight.TV</a>&nbsp;Radio Edition.</strong></p> <p>Seit 11. Mai sendet Köln-Insight.TV in seiner Radio-Edition am Montag die Interview-Serie „Kölner SexTalk“, bei der die Journalistin Petra Wagner im Gespräch mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat über gängige Vorurteile sowie Mythen aufklärt und über die weibliche wie männliche Sexualität informiert.&nbsp;<br />Für alle jene, die die Sendung nicht live anhören konnten, hier die Inhalte zum Nachlesen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Heute beschäftigen wir uns mit dem Thema Fantasie und Wünsche beim Sex. Grundsätzlich möchten wir uns dabei nur mit den „respektablen“ Dingen auseinandersetzen. Krankhafte Vorlieben klammern wir gänzlich aus.</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nur um das kurz klar zu stellen, es gibt Menschen die unter normabweichenden sexuellen Impulsen leiden oder andere zu Opfern dieser Impulse machen, das nennt man eine Paraphilie oder Störung der sexuellen Präferenz, also der sexuellen Vorlieben. Auf dieses Thema möchte ich jetzt nicht eingehen, sondern auf die normalen sexuellen Wünsche und Fantasien.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Frau Dr. Kossat, wie unterscheiden sich Fantasien und Wünsche?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sexuelle Fantasien müssen nicht erlebt werden, Wünsche hingegen drängen eher nach Verwirklichung, sind stärker.<br />Sexuelle Fantasien haben viele bei der Selbstliebe, Männer fast alle, Frauen meistens. Das sogenannte Kopfkino wird aber auch manchmal beim Sex mit dem Partner eingesetzt. Die Fantasie, die uns zum Orgasmus führt, nennen wir präorgastische Fantasie. Das ist die Fantasie, die uns wirklich kickt.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Befassen wir uns zunächst mit Fantasien. Woher stammen diese Filme im Kopf? Gibt es dazu Erklärungen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wann das erregende Schema festgelegt wird, ist nicht gesichert, wahrscheinlich schon im Kindesalter, aber spätestens zum Erwachsenenalter ist es fixiert. <br />Wie und warum bestimmte Filme oder Bilder im Kopf entstehen, dazu fehlt bisher ein schlüssiges Erklärungskonzept. Es ist ein bisschen wie Schicksal oder Zufallstreffer. Wir wissen aber auf jeden Fall, dass das Schema der kickenden präorgastischen Fantasie relativ konstant bleibt. Das heißt, wenn ich mir eine Frau und einen Mann beim Geschlechtsverkehr vorstelle, dann wird das das auslösende Moment in unterschiedlichen Varianten mehr oder weniger bleiben. Ich werde mir wahrscheinlich dann nicht irgendwann zwei Frauen vorstellen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Wie sehen die Fantasien aus – sind es eher Rollenspiele, Verhaltensweisen, Situationen oder sind wir mit unserem Traummann oder der Traumfrau zugange? Was liefert uns den ultimativen Kick?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Was wir uns vorstellen, ist ganz unterschiedlich und teilweise sehr bizarr; manchmal auch ganz einfach ein sexueller Akt oder eine schöne Frau. Wer viele Beispiele dafür lesen will, eher außergewöhnliche, dem sei das Buch „Sex im Kopf – die erotischen Fantasien der Deutschen“ empfohlen von Herrn Haase-Hindenberg.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Wie unterscheiden sich die kickenden Bilder bei Mann und Frau?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Tendenziell würde ich sagen, bei Frauen ist oft eine Beziehung Inhalt der Fantasie. Also zum Beispiel stellt sie sich ein Pärchen beim sexuellen Akt vor, vielleicht auch sich selbst mit ihrem Traummann. Bei Männern genügt es, wenn sie sich nur eine schöne Frau vorstellen, es geschieht eine größere Fokussierung auf den Busen und die Genitalien. Es kann also eine isolierte Visualisierung auf die Geschlechtsmerkmale erfolgen. Frauen denken dabei an mehr als nur an den Penis!</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Nennen sie doch unseren Zuhörer ein Beispiel aus Ihrer Praxis.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich nenne Ihnen mal eine ganz lustige oder nette Fantasie. Eine Patientin konnte nur zum Orgasmus kommen, wenn sie sich Wildwestspiele vorstellt und wenn im Kampf einer vom Pferd viel, war dieser Kick orgasmusauslösend. <br />Die Patientin fand das sehr peinlich, obwohl ja eigentlich harmlos. Die Patientin erklärte sich das Zustandekommen der Fantasie durch die vielen Wildwest- und Indianerspiele, die sie mit ihren Brüdern gespielt und geliebt hat. <br />Die Patientin fragte, darf ich mir denn das vorstellen, mein Partner muss mich doch zum Orgasmus bringen. Warum sollte sie es sich nicht vorstellen dürfen?</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Welche Fantasien kennen Sie noch?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Fantasien gibt es so viele unterschiedliche wie Menschen. Das ist etwas komplett Individuelles. <br />Erwähnenswert finde ich vielleicht noch, dass die Vorstellung, Sex in beängstigenden Situationen zu haben oder auch den Partner an eine andere zu verlieren, durchaus kickend sein können. Es ist ähnlich wie in Prüfungssituationen, ein bisschen Angst in der Vorstellung schadet nicht, viel Angst lähmt. So kann es auch beim Sex sein. Etwas Angst beim Sex wirkt durchaus erregend. Stellen Sie sich zum Beispiel eine Frau mit Platzangst vor. Wenn diese von Sex im Fahrstuhl fantasiert, kann das durchaus kickend sein. Beängstigend aber irgendwie auch erregend.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Die Angst, erwischt zu werden – also Sex an „verbotenen“ Orten – das ist doch auch eine kickende Sache, die hierzu eingeordnet werden könnte oder?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, Sex hat immer was mit Aufregung, Spannung und Verbotenem zu tun. Das Verruchte kickt uns. Da es heute für uns keine oder kaum mehr Grenzen gibt, kann es immer schwerer sein, diesen Kick zu spüren.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Wie sieht es nun mit Sado-Maso-Fantasien aus. Der unglaubliche Erfolg von Shades of Grey lässt vermuten, dass Frau doch davon träumt, gefesselt und geschlagen zu werden. Haben die Frauen die sadistisch-masochistischen Szenen neu entdeckt oder war der Wunsch schon immer da?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die Fantasie war sicher schon immer da und wurde gut durch Shades of Grey bedient. Nach einer Studie haben ca. 50 % der Frauen masochistische, demütigende Fantasien. Dazu gehören Fantasien, in denen tatsächlich körperliche Schmerzen vorkommen, aber auch und v. a. demütigende Situationen oder solche, in den sie psychisch leiden wie bspw. Sex zu Dritt, obwohl sie das nicht wollen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Wie erklären Sie sich diesen kickenden Wunsch nach Unterwerfung?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Zum einen sind die Frauen in den Fantasien ja nicht wirklich unterworfen, da sie ja die Zügel in der Hand haben und das Drehbuch für ihre Fantasie schreiben.<br />Wenn man Unterwerftsein tatsächlich als erregend erlebt, kann es auch damit zusammenhängen, dass man, wenn man unterworfen wird, nichts für das Geschehene kann, keine Verantwortung übernehmen muss, sich für seine Lust nicht schämen muss, da man ihr ja ausgeliefert ist. So in dem Sinne, es geschieht mir, ich habe keine Schuld. Bei Menschen, die ein Problem mit der Lust haben, im Sinne von Lust ist etwas Schmutziges oder Verwerfliches, kann die Unterwerfung die scheinbare Lösung sein.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Nun gut, Fantasien helfen uns bei der Selbstliebe – aber wenn wir nun mit unserem Partner zugange sind – wie schaut es da aus mit Fantasien? Träumt man sich dabei auch ein wenig weg oder ist man strikt in der Realität?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wie immer gibt es auch hier keine Fakten, die für alle gelten. Die einen sind vielleicht vollkommen in der Realität, die anderen brauchen zum Orgasmus auslösen noch das eine oder andere Bild. Das ist ja okay und nicht zu bewerten. Kritisch würde ich finden, wenn ein Partner während der ganzen Intimität von jemand oder etwas anderem träumt. Dann stimmt was nicht. Aber präorgastisch, warum nicht?</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Gut wir haben unsere Fantasien – gibt es keine Chance, sie zu erfüllen? Wann oder wie wandeln sich Fantasien in Wünsche und damit in die Nähe der erlebten Realität?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Manchmal wird der Wunsch nach Erfüllung der Fantasie immer dringender, insbesondere, wenn die Fantasie im Verborgenen lebt. Das heißt wird mit dem Partner nicht darüber gesprochen, dann kann, muss aber nicht, aus der Fantasie ein Wunsch werden. <br />Andererseits gibt es Fantasien, die wollen nie gelebt werden, weil sie z. B. eine verheerende Auswirkung auf die Beziehung hätten oder der Moralvorstellung des Betroffenen nicht entsprechen. Beispielsweise der Mann stellt sich vor, seine Frau hat Sex mit anderen Partnern. Das wird auch als Cuckold bezeichnet, abgeleitet vom englischen Wort für Kuckuck. Dabei wird die Eifersucht zur Spitze getrieben, beängstigend und zugleich schmerzhaft erregend. <br />Manche Patienten, die ihre Fantasien in die Realität umgesetzt haben, sagen in der Fantasie war es schöner und besser. Ist ja auch klar, da bestimmen und dirigieren nur sie und nicht jemand anderes.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Wie ist es jetzt mit den Wünschen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wie gesagt Wünsche wollen eher erfüllt werden im Gegensatz zu den Fantasien. Wünsche finde ich gut. Sie bereichern das Sexualleben, machen es lebendiger und authentischer. Manchmal sind Wünsche mehr wie Tagträume oder manchmal ganz konkrete sexuelle Wünsche. Sich die Wünsche gegenseitig zu erzählen, kann das Intimleben sehr bereichern und neu beleben.<br />Denken Sie nur an den wunderbar skurrilen Roman von David Foenkinos „Das erotische Potential meiner Frau“. Der Protagonist Hektor wünscht sich nichts sehnlicher als seine Frau beim Fensterputzen auf der Leiter zu sehen und bis er dazu stehen kann, kommt es zu herrlichen Verwicklungen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Wie steht es damit, wenn sich die Personen ihrer Wünsche gar nicht bewusst sind – gibt es das und wie kann man das ändern?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Natürlich das Thema hatten wir ja schon in den vorigen Sendungen. <br />Manchmal besteht nur eine unspezifische, nicht genau fassbare Unzufriedenheit mit dem Sexualleben, hinter der sich unbewusste Sehnsüchte oder Wünsche verbergen können. Wie kann man es ändern? <br />Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine kreative wäre, sich vorzustellen, wenn ich einen erotischen Roman schreiben müsste, wie würde der aussehen. <br />Oder wenn eine Fee käme und ich drei Wünsche bezüglich meines Liebeslebens frei hätte, was würde ich mir wünschen. Meist gibt es viele Wünsche, auch die Erfüllung kleiner Wünsche kann große Wirkung zeigen. Oder anders gesagt in fast jedem Liebesleben gibt es Luft nach oben!</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Wenn ich meine Wünsche nun ausleben möchte, muss sie der Partner kennen – wie stelle ich das am besten an?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Seiner eigenen Wünsche sich bewusst sein, ist eine Sache, sie zu äußern, ist etwas ganz anderes. Dazu gehört Mut und auch etwas Geschick. Sexuelle Wünsche und Fantasien haben wir alle. <br />Nur in ca. 50 % der Fälle kennt der Partner unsere sexuellen Wünsche, bei Fantasien sind es noch weniger. Und wenn wir die unserem Partner mitteilen, ist das auch etwas heikel und kann ungewollte Nebenwirkungen haben, wie in dem Film „Eyes wide shut“ bestens gezeigt wird, als die Frau ihre Fantasie – Sex mit einem Unbekanntem – ihrem Mann beichtet.<br />Wünsche müssen ohne jeden Vorwurf verpackt sein. Es muss klar sein, es sind Wünsche, nicht Erwartungen, und ein freundliches Nein wird auch akzeptiert.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Gut, jetzt kennt man gegenseitig die Wünsche - wie kommt das Paar nun in den Genuss des Auslebens?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Im Grunde geht es erst mal um das Kennenlernen der Wünsche und um ein gemeinsames Gespräch darüber. Keiner sollte die Wünsche des anderen als Bedrohung der Beziehung sehen, sondern erstmal nur zuhören. Im weiteren Verlauf kann man dann sehen, wie gut die Wünsche der beiden Partner zusammenpassen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Wo sehen Sie die Hauptprobleme, denn wie wir wissen, läuft es ja leider nicht immer so reibungslos, wie wir uns gerne hätten.</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Viele Partner getrauen sich nicht nach den Wünschen und Fantasien zu fragen, weil sie Angst vor der Antwort des Partners haben. Andere wiederum trauen sich nicht, ihre Wünsche zu nennen, finden sie vielleicht lächerlich. <br />Bei einer offenen und intimen Partnerschaft finde ich es schön, seine geheimen Wünsche und Fantasien mit dem Partner teilen zu können. Ist aber natürlich etwas ganz Intimes, aber auch etwas sehr Verbindendes. Ich darf so sein, wie ich bin, auch mit meinen geheimsten Wünschen und Gedanken werde ich geliebt. Das ist die Annahme des anderen pur.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Aber was ist, wenn die Wünsche des einen nicht zu denen des anderen passen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Manchmal kann es natürlich passieren, dass man keine gemeinsame sexuelle Weltanschauung findet, dann kann es sein, man passt tatsächlich nicht zusammen. Dies gilt natürlich besonders, wenn jemand ganz spezielle Vorlieben hat, diese sind nicht aufzulösen, sondern bleiben so. <br />Allerdings wenn wir unsere sexuellen Wünsche unterdrücken, dann heißt das, dass wir auf einen wichtigen Teil von unserem Selbst verzichten. Dann kann sich das Gefühl einstellen, etwas zu verpassen und dass das eigentliche Leben an uns vorbeigeht.<br />Aber in der Regel können die Paare zueinander finden, weil es sich meist um ganz harmlose Träume und Wünsche handelt. Es ist in jedem Fall eine ganz bereichernde Erfahrung, spielerisch etwas Neues auszuprobieren. Und erfüllte Wünsche steigern die Intimität des Paares, bestärken die Weiblichkeit wie die Männlichkeit und machen glücklich – sie bewirken, dass sich die Menschen lebendig fühlen.</p></div> <div class="feed-description"><p><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Stachelblume_beschn.jpg" alt="Stachelblume beschn" width="350" style="margin-right: 10px; float: left;" /><strong>Interview mit der Priener&nbsp;<a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de/" target="_blank">Sexual- und Partnertherapeutin Dr. Jutta Kossat</a>&nbsp;im Rahmen des „Kölner SexTalks“ für&nbsp;<a href="http://www.koeln-insight.tv/index.php?option=com_content&amp;view=article&amp;id=8800:interview-reihe-koelner-sextalk-bei-koeln-insight-tv-radio-edition-heute-ab-20uhr-die-lustlose-frau-gibt-es-nicht&amp;catid=98&amp;Itemid=129" target="_blank">Köln-Insight.TV</a>&nbsp;Radio Edition.</strong></p> <p>Seit 11. Mai sendet Köln-Insight.TV in seiner Radio-Edition am Montag die Interview-Serie „Kölner SexTalk“, bei der die Journalistin Petra Wagner im Gespräch mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat über gängige Vorurteile sowie Mythen aufklärt und über die weibliche wie männliche Sexualität informiert.&nbsp;<br />Für alle jene, die die Sendung nicht live anhören konnten, hier die Inhalte zum Nachlesen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Heute beschäftigen wir uns mit dem Thema Fantasie und Wünsche beim Sex. Grundsätzlich möchten wir uns dabei nur mit den „respektablen“ Dingen auseinandersetzen. Krankhafte Vorlieben klammern wir gänzlich aus.</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nur um das kurz klar zu stellen, es gibt Menschen die unter normabweichenden sexuellen Impulsen leiden oder andere zu Opfern dieser Impulse machen, das nennt man eine Paraphilie oder Störung der sexuellen Präferenz, also der sexuellen Vorlieben. Auf dieses Thema möchte ich jetzt nicht eingehen, sondern auf die normalen sexuellen Wünsche und Fantasien.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Frau Dr. Kossat, wie unterscheiden sich Fantasien und Wünsche?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Sexuelle Fantasien müssen nicht erlebt werden, Wünsche hingegen drängen eher nach Verwirklichung, sind stärker.<br />Sexuelle Fantasien haben viele bei der Selbstliebe, Männer fast alle, Frauen meistens. Das sogenannte Kopfkino wird aber auch manchmal beim Sex mit dem Partner eingesetzt. Die Fantasie, die uns zum Orgasmus führt, nennen wir präorgastische Fantasie. Das ist die Fantasie, die uns wirklich kickt.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Befassen wir uns zunächst mit Fantasien. Woher stammen diese Filme im Kopf? Gibt es dazu Erklärungen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wann das erregende Schema festgelegt wird, ist nicht gesichert, wahrscheinlich schon im Kindesalter, aber spätestens zum Erwachsenenalter ist es fixiert. <br />Wie und warum bestimmte Filme oder Bilder im Kopf entstehen, dazu fehlt bisher ein schlüssiges Erklärungskonzept. Es ist ein bisschen wie Schicksal oder Zufallstreffer. Wir wissen aber auf jeden Fall, dass das Schema der kickenden präorgastischen Fantasie relativ konstant bleibt. Das heißt, wenn ich mir eine Frau und einen Mann beim Geschlechtsverkehr vorstelle, dann wird das das auslösende Moment in unterschiedlichen Varianten mehr oder weniger bleiben. Ich werde mir wahrscheinlich dann nicht irgendwann zwei Frauen vorstellen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Wie sehen die Fantasien aus – sind es eher Rollenspiele, Verhaltensweisen, Situationen oder sind wir mit unserem Traummann oder der Traumfrau zugange? Was liefert uns den ultimativen Kick?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Was wir uns vorstellen, ist ganz unterschiedlich und teilweise sehr bizarr; manchmal auch ganz einfach ein sexueller Akt oder eine schöne Frau. Wer viele Beispiele dafür lesen will, eher außergewöhnliche, dem sei das Buch „Sex im Kopf – die erotischen Fantasien der Deutschen“ empfohlen von Herrn Haase-Hindenberg.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Wie unterscheiden sich die kickenden Bilder bei Mann und Frau?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Tendenziell würde ich sagen, bei Frauen ist oft eine Beziehung Inhalt der Fantasie. Also zum Beispiel stellt sie sich ein Pärchen beim sexuellen Akt vor, vielleicht auch sich selbst mit ihrem Traummann. Bei Männern genügt es, wenn sie sich nur eine schöne Frau vorstellen, es geschieht eine größere Fokussierung auf den Busen und die Genitalien. Es kann also eine isolierte Visualisierung auf die Geschlechtsmerkmale erfolgen. Frauen denken dabei an mehr als nur an den Penis!</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Nennen sie doch unseren Zuhörer ein Beispiel aus Ihrer Praxis.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich nenne Ihnen mal eine ganz lustige oder nette Fantasie. Eine Patientin konnte nur zum Orgasmus kommen, wenn sie sich Wildwestspiele vorstellt und wenn im Kampf einer vom Pferd viel, war dieser Kick orgasmusauslösend. <br />Die Patientin fand das sehr peinlich, obwohl ja eigentlich harmlos. Die Patientin erklärte sich das Zustandekommen der Fantasie durch die vielen Wildwest- und Indianerspiele, die sie mit ihren Brüdern gespielt und geliebt hat. <br />Die Patientin fragte, darf ich mir denn das vorstellen, mein Partner muss mich doch zum Orgasmus bringen. Warum sollte sie es sich nicht vorstellen dürfen?</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Welche Fantasien kennen Sie noch?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Fantasien gibt es so viele unterschiedliche wie Menschen. Das ist etwas komplett Individuelles. <br />Erwähnenswert finde ich vielleicht noch, dass die Vorstellung, Sex in beängstigenden Situationen zu haben oder auch den Partner an eine andere zu verlieren, durchaus kickend sein können. Es ist ähnlich wie in Prüfungssituationen, ein bisschen Angst in der Vorstellung schadet nicht, viel Angst lähmt. So kann es auch beim Sex sein. Etwas Angst beim Sex wirkt durchaus erregend. Stellen Sie sich zum Beispiel eine Frau mit Platzangst vor. Wenn diese von Sex im Fahrstuhl fantasiert, kann das durchaus kickend sein. Beängstigend aber irgendwie auch erregend.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Die Angst, erwischt zu werden – also Sex an „verbotenen“ Orten – das ist doch auch eine kickende Sache, die hierzu eingeordnet werden könnte oder?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, Sex hat immer was mit Aufregung, Spannung und Verbotenem zu tun. Das Verruchte kickt uns. Da es heute für uns keine oder kaum mehr Grenzen gibt, kann es immer schwerer sein, diesen Kick zu spüren.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Wie sieht es nun mit Sado-Maso-Fantasien aus. Der unglaubliche Erfolg von Shades of Grey lässt vermuten, dass Frau doch davon träumt, gefesselt und geschlagen zu werden. Haben die Frauen die sadistisch-masochistischen Szenen neu entdeckt oder war der Wunsch schon immer da?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Die Fantasie war sicher schon immer da und wurde gut durch Shades of Grey bedient. Nach einer Studie haben ca. 50 % der Frauen masochistische, demütigende Fantasien. Dazu gehören Fantasien, in denen tatsächlich körperliche Schmerzen vorkommen, aber auch und v. a. demütigende Situationen oder solche, in den sie psychisch leiden wie bspw. Sex zu Dritt, obwohl sie das nicht wollen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Wie erklären Sie sich diesen kickenden Wunsch nach Unterwerfung?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Zum einen sind die Frauen in den Fantasien ja nicht wirklich unterworfen, da sie ja die Zügel in der Hand haben und das Drehbuch für ihre Fantasie schreiben.<br />Wenn man Unterwerftsein tatsächlich als erregend erlebt, kann es auch damit zusammenhängen, dass man, wenn man unterworfen wird, nichts für das Geschehene kann, keine Verantwortung übernehmen muss, sich für seine Lust nicht schämen muss, da man ihr ja ausgeliefert ist. So in dem Sinne, es geschieht mir, ich habe keine Schuld. Bei Menschen, die ein Problem mit der Lust haben, im Sinne von Lust ist etwas Schmutziges oder Verwerfliches, kann die Unterwerfung die scheinbare Lösung sein.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Nun gut, Fantasien helfen uns bei der Selbstliebe – aber wenn wir nun mit unserem Partner zugange sind – wie schaut es da aus mit Fantasien? Träumt man sich dabei auch ein wenig weg oder ist man strikt in der Realität?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wie immer gibt es auch hier keine Fakten, die für alle gelten. Die einen sind vielleicht vollkommen in der Realität, die anderen brauchen zum Orgasmus auslösen noch das eine oder andere Bild. Das ist ja okay und nicht zu bewerten. Kritisch würde ich finden, wenn ein Partner während der ganzen Intimität von jemand oder etwas anderem träumt. Dann stimmt was nicht. Aber präorgastisch, warum nicht?</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Gut wir haben unsere Fantasien – gibt es keine Chance, sie zu erfüllen? Wann oder wie wandeln sich Fantasien in Wünsche und damit in die Nähe der erlebten Realität?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Manchmal wird der Wunsch nach Erfüllung der Fantasie immer dringender, insbesondere, wenn die Fantasie im Verborgenen lebt. Das heißt wird mit dem Partner nicht darüber gesprochen, dann kann, muss aber nicht, aus der Fantasie ein Wunsch werden. <br />Andererseits gibt es Fantasien, die wollen nie gelebt werden, weil sie z. B. eine verheerende Auswirkung auf die Beziehung hätten oder der Moralvorstellung des Betroffenen nicht entsprechen. Beispielsweise der Mann stellt sich vor, seine Frau hat Sex mit anderen Partnern. Das wird auch als Cuckold bezeichnet, abgeleitet vom englischen Wort für Kuckuck. Dabei wird die Eifersucht zur Spitze getrieben, beängstigend und zugleich schmerzhaft erregend. <br />Manche Patienten, die ihre Fantasien in die Realität umgesetzt haben, sagen in der Fantasie war es schöner und besser. Ist ja auch klar, da bestimmen und dirigieren nur sie und nicht jemand anderes.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Wie ist es jetzt mit den Wünschen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wie gesagt Wünsche wollen eher erfüllt werden im Gegensatz zu den Fantasien. Wünsche finde ich gut. Sie bereichern das Sexualleben, machen es lebendiger und authentischer. Manchmal sind Wünsche mehr wie Tagträume oder manchmal ganz konkrete sexuelle Wünsche. Sich die Wünsche gegenseitig zu erzählen, kann das Intimleben sehr bereichern und neu beleben.<br />Denken Sie nur an den wunderbar skurrilen Roman von David Foenkinos „Das erotische Potential meiner Frau“. Der Protagonist Hektor wünscht sich nichts sehnlicher als seine Frau beim Fensterputzen auf der Leiter zu sehen und bis er dazu stehen kann, kommt es zu herrlichen Verwicklungen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Wie steht es damit, wenn sich die Personen ihrer Wünsche gar nicht bewusst sind – gibt es das und wie kann man das ändern?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Natürlich das Thema hatten wir ja schon in den vorigen Sendungen. <br />Manchmal besteht nur eine unspezifische, nicht genau fassbare Unzufriedenheit mit dem Sexualleben, hinter der sich unbewusste Sehnsüchte oder Wünsche verbergen können. Wie kann man es ändern? <br />Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine kreative wäre, sich vorzustellen, wenn ich einen erotischen Roman schreiben müsste, wie würde der aussehen. <br />Oder wenn eine Fee käme und ich drei Wünsche bezüglich meines Liebeslebens frei hätte, was würde ich mir wünschen. Meist gibt es viele Wünsche, auch die Erfüllung kleiner Wünsche kann große Wirkung zeigen. Oder anders gesagt in fast jedem Liebesleben gibt es Luft nach oben!</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Wenn ich meine Wünsche nun ausleben möchte, muss sie der Partner kennen – wie stelle ich das am besten an?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Seiner eigenen Wünsche sich bewusst sein, ist eine Sache, sie zu äußern, ist etwas ganz anderes. Dazu gehört Mut und auch etwas Geschick. Sexuelle Wünsche und Fantasien haben wir alle. <br />Nur in ca. 50 % der Fälle kennt der Partner unsere sexuellen Wünsche, bei Fantasien sind es noch weniger. Und wenn wir die unserem Partner mitteilen, ist das auch etwas heikel und kann ungewollte Nebenwirkungen haben, wie in dem Film „Eyes wide shut“ bestens gezeigt wird, als die Frau ihre Fantasie – Sex mit einem Unbekanntem – ihrem Mann beichtet.<br />Wünsche müssen ohne jeden Vorwurf verpackt sein. Es muss klar sein, es sind Wünsche, nicht Erwartungen, und ein freundliches Nein wird auch akzeptiert.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Gut, jetzt kennt man gegenseitig die Wünsche - wie kommt das Paar nun in den Genuss des Auslebens?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Im Grunde geht es erst mal um das Kennenlernen der Wünsche und um ein gemeinsames Gespräch darüber. Keiner sollte die Wünsche des anderen als Bedrohung der Beziehung sehen, sondern erstmal nur zuhören. Im weiteren Verlauf kann man dann sehen, wie gut die Wünsche der beiden Partner zusammenpassen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Wo sehen Sie die Hauptprobleme, denn wie wir wissen, läuft es ja leider nicht immer so reibungslos, wie wir uns gerne hätten.</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Viele Partner getrauen sich nicht nach den Wünschen und Fantasien zu fragen, weil sie Angst vor der Antwort des Partners haben. Andere wiederum trauen sich nicht, ihre Wünsche zu nennen, finden sie vielleicht lächerlich. <br />Bei einer offenen und intimen Partnerschaft finde ich es schön, seine geheimen Wünsche und Fantasien mit dem Partner teilen zu können. Ist aber natürlich etwas ganz Intimes, aber auch etwas sehr Verbindendes. Ich darf so sein, wie ich bin, auch mit meinen geheimsten Wünschen und Gedanken werde ich geliebt. Das ist die Annahme des anderen pur.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Aber was ist, wenn die Wünsche des einen nicht zu denen des anderen passen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Manchmal kann es natürlich passieren, dass man keine gemeinsame sexuelle Weltanschauung findet, dann kann es sein, man passt tatsächlich nicht zusammen. Dies gilt natürlich besonders, wenn jemand ganz spezielle Vorlieben hat, diese sind nicht aufzulösen, sondern bleiben so. <br />Allerdings wenn wir unsere sexuellen Wünsche unterdrücken, dann heißt das, dass wir auf einen wichtigen Teil von unserem Selbst verzichten. Dann kann sich das Gefühl einstellen, etwas zu verpassen und dass das eigentliche Leben an uns vorbeigeht.<br />Aber in der Regel können die Paare zueinander finden, weil es sich meist um ganz harmlose Träume und Wünsche handelt. Es ist in jedem Fall eine ganz bereichernde Erfahrung, spielerisch etwas Neues auszuprobieren. Und erfüllte Wünsche steigern die Intimität des Paares, bestärken die Weiblichkeit wie die Männlichkeit und machen glücklich – sie bewirken, dass sich die Menschen lebendig fühlen.</p></div> Die lustlose Frau gibt es nicht - Interview mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat 2015-06-17T16:52:39+02:00 2015-06-17T16:52:39+02:00 https://alpenwelt-tv.de/index.php/gesundheit/interview/246-gesundheit-im-interview/573-die-lustlose-frau-gibt-es-nicht-interview-mit-der-aerztin-und-sexualtherapeutin-dr-jutta-kossat.html Petra Wagner wagner@text-fabrik.de <div class="feed-description"><p><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Schloss_Herrenchiemsee_KL.jpg" alt="Schloss Herrenchiemsee KL" width="350" style="margin-right: 10px; float: left;" /><strong>Interview mit der Priener&nbsp;<a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de/" target="_blank">Sexual- und Partnertherapeutin Dr. Jutta Kossat</a>&nbsp;im Rahmen des „Kölner SexTalks“ für&nbsp;<a href="http://www.koeln-insight.tv/index.php?option=com_content&amp;view=article&amp;id=8800:interview-reihe-koelner-sextalk-bei-koeln-insight-tv-radio-edition-heute-ab-20uhr-die-lustlose-frau-gibt-es-nicht&amp;catid=98&amp;Itemid=129" target="_blank">Köln-Insight.TV</a>&nbsp;Radio Edition.&nbsp;</strong>Für alle jene, die die Sendung nicht live anhören konnten, hier die Inhalte zum Nachlesen.</p> <p><strong>Provokation: Die lustlose Frau gibt es nicht!</strong><br /><em>Alpenwelt.TV: Heute sind wir wieder zu Gast bei Dr. Jutta Kossat; nachdem wir uns den Themen „grundlos sexlos“ sowie Sexmythen, die als Sexkiller wirken, gewidmet haben, wenden wir uns heute Abend der Frau zu – der Titel für die heutige Sendung: Die lustlose Frau gibt es nicht. Das ist provokativ gemeint, denn wie Sie aus Studien und Ihrer Praxis wissen, sagen viele Frauen, dass sie keine Lust auf Sex haben. Ob das tatsächlich so ist bzw. warum und wie man das ändern könnte, das schauen wir uns heute genauer an. </em><br /><em>Zuvor aber möchte wir gerne noch eine Leseranfrage beantworten; eine Zuhörerin wollte wissen, was wir von der Aussage halten: Guter Sex muss immer fulminant und großartig sein! Liebe Anja aus Köln – hier die Antwort von Dr. Jutta Kossat</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nein, muss er nicht – dies ist ein weiterer Mythos, den ich für enorm belastend halte.<br />Wir gehen alle immer davon aus, dass jeder Sex super sein muss, aber das muss er nicht und kann er auch gar nicht.<br />Sex kann manchmal einfach nur nett oder auch mal vollkommen schiefgehen. Ja und!<br />Wenn ich koche und mein Essen anbrennt, esse ich trotzdem am nächsten Tag wieder. Ich koche auch wieder. Ich ärgere mich kurz, okay, aber dann vergesse ich es, hake es ab und fertig.<br />So ticken wir beim Sex nicht. Da wird das zum Drama und oft gehen wir in eine Vermeidungsstrategie.<br />Da muss ich provokant sagen: Guten Sex gibt es nicht ohne schlechten Sex!<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em> <em>Das mit dem Kochen ist doch wirklich ein stimmiges Bild. Was mache ich mit provokant gesagt schlechtem Sex in einer langjährigen Beziehung?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich mache es wie mit meinem Partner: Ohne seine Ecken und Kanten ist er nicht zu haben, also fokussiere ich mich auf die schönen Seiten an ihm und am Sex und nehme mal ein Schiefgehen in Kauf.<br />Damit meine ich natürlich nicht, dauernd unbefriedigenden Sex, den kann ich nicht ignorieren.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Also nun zum aktuellen Thema, das Sie auch ein wenig provokant betitelt haben - Die lustlose Frau gibt es nicht! Was meinen Sie damit?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich behaupte, die lustlose Frau gibt es nicht, obwohl viele Studien die Lustlosigkeit oder Libidostörung der Frau belegen. <br />Manchmal gibt es Zahlen bis zu 60 % der Frauen wären betroffen, diese Zahlen berücksichtigen aber nicht, dass viele darunter gar keinen Leidensdruck haben. Realistischere Zahlen sind 8 bis 20 % je nach Studie.<br />Generell müssen wir an dieser Stelle mal sagen, was wir hier so plaudern gilt natürlich nie für alle, aber es ist eine Tendenz. Im Mittelpunkt steht immer der individuelle einzigartige Mensch.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Was sind weitere Voraussetzungen, damit die Frau sinnlich wird?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat</strong>: Nach dem Satz: Ich brauche erstmal Zeit für mich, um Lust zu bekommen, kommt eigentlich der nächste Satz: Und ich brauche Zeit mit meinem Partner. <br />Damit meinen die meisten Frauen, sie brauchen intime Zeit mit dem Partner. Sie müssen ein emotional intensives Gespräch mit dem Partner führen. Sie müssen ihn spüren.<br />Dafür gibt es auch ein sehr schönes Modell von Frau Ruth Basson. Sie hat gesagt, also so in etwa, Frauen v. a. in einer Langzeitbeziehung werden erst für sexuelle Reize empfänglich, wenn Sie eine intensive emotionale Nähe zum Partner spüren.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Das heißt, die Frauen benötigen Aufmerksamkeit, Zeit für sich und Zeit mit dem Partner. Wie kann man emotionale Nähe herstellen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich spüre emotionale Nähe am ehesten in der Zweisamkeit, nicht wenn ich in einer Freundesrunde zum Essen gehe.<br />Ich spüre emotionale Nähe, wenn ich mich darüber unterhalte, wie es dem anderen geht, was ihn beschäftigt, was seine Werte sind, wie es ihm in der Beziehung geht und und und<br />Ich werde null emotionale Nähe spüren, wenn ich über Alltagsprobleme rede, v. a. meist geht es bei den Paaren um die Organisation des stressigen Alltages, wer macht wann wo was oder um Probleme mit Kindern etc.<br />Die eigentliche Paarzeit geht verloren.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em> <em>Hört sich doch eigentlich ganz leicht an, woran scheitert es – weil Männer gerade eben nicht so gerne solche Gespräche führen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Tut mir leid, kann ich so wieder nicht stehen lassen. Ich denke, es liegt an beiden Partnern.<br />Vielleicht wiederhole ich mich, aber das Scheitern liegt daran, dass einerseits die Frauen durch Beruf, Kinder, Haushalt so belastet sind, dass sie gar nicht darüber reflektieren können, welche Liebesbedingungen sie brauchen.<br />Und wenn sie es wissen, sorgen sie nicht dafür, sie zu bekommen. Nach dem bekannten Motto er wird schon wissen was ich will. <br />Andererseits ist es tatsächlich so, dass für Männer emotional gefärbte Gespräche ungewohnt sind, aber ehrlich gesagt in der Verliebtheitsphase konnten sie es doch auch. D.h. sie können es.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Wie kommen Sie dann zu Ihrer Behauptung, das müssen Sie uns jetzt genauer erklären.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich fange anders an: Es stimmt, in meine Praxis kommen viele Frauen mit dem Satz: Ich habe keine Lust. Stimmt.<br />Wenn ich aber genauer nachfrage, worauf sie keine Lust hat, sieht das schon ganz anders aus.<br />Die meisten Frauen können nach genauem Nachfragen und etwas Zeit, nämlich schon ihre individuellen Liebesbedingungen ganz gut benennen. Nur deckt sich ihre Realität nicht mit ihren optimalen Liebesbedingungen.<br /><em>Alpenwelt.TV:</em>&nbsp;Das heißt, sie wissen, was sie wollen, aber nicht, wie sie das bekommen?<br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Jein, würde ich sagen. Sie wissen, was sie wollen, wenn ich genau nachfrage und sie Zeit zum Nachdenken haben, in dem Sinne Ja.<br />Im ersten Moment wissen viele erstmal nicht, worauf sie Lust haben. Ist ja auch eine ungewöhnliche Frage.<br />Die Frauen wissen eher in erster Linie, worauf sie keine Lust haben bzw. dass sie keine Lust haben, und fühlen sich als lustlose Frau, wobei das nicht stimmt. <br />Die Sinnlichkeit ist nur verdeckt. Ich würde ihre Frage dahin beantworten, die meisten Frauen wissen unbewusst sehr wohl, was sie wollen.<br />Frauen haben ein ganz feines Gespür, ob der Sex es wert ist, gelebt zu werden oder nicht. Und wenn er es nicht wert ist, verspüren Sie keine Lust, welch Wunder! <br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;D. h. heißt also nicht, dass sie lustlos sind, sondern nur, dass der Sex für sie nicht erfüllend ist und sie entsprechend keine Lust mit dem Partner auf Sex haben haben.</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja., z. B. ca. 50 % meiner Patientinnen, die sich selbst als lustlose Frauen benennen würden, masturbieren.<br />Provokativ gesagt: Bin ich eine lustlose Frau, wenn ich Lust auf Selbstliebe habe? Ich würde sagen, nein, das ist eine Sinnlichkeit.<br />Eine meiner Patientinnen sagte einmal, am liebsten masturbiere sie, am Samstagmorgen, wenn der Mann mit den Kindern zum Einkaufen geht und sie Zeit für sich hat. Sie dusche erst mal gemütlich, dabei entspanne sie sich schon, und es ginge ihr dann richtig gut.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;So das heißt, die meisten Frauen nach Ihrer Erfahrung brauchen, um in die richtige Stimmung zu gelangen, zum einen den Faktor Zeit und zum anderen ein entspannter Zustand oder eine relaxte Situation – ist das richtig?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja – Zeit für sich, Entspannung, es muss ihr gut gehen – das, sagen ca. 90 % meiner Patientinnen, sind Grundvoraussetzungen für Sinnlichkeit. Natürlich gilt das nicht für alle Frauen.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Ich weiß von Ihnen, Sie sind in einer Langzeitbeziehung. Wie machen Sie es, wie bekommen Sie solche Gespräche hin? Geben Sie uns einmal ein paar Tipps.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wir machen es so, dass wir ganz bewusst einen Abend oder ein Wochenende zusammen verbringen, wo wir zuvor verabreden, nicht über unsere Alltagssorgen zu sprechen, sondern über alles andere, aber nicht Konflikte des Alltags. Wir reden über Beziehungen an sich, über unsere Zuneigung, unsere Liebe. Kurz gesagt, wir flirten miteinander. Das kann jeder, er muss sich nur dafür entscheiden.<br />Die Hauptsache ist die intime Zeit zu zweit, das Reden.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Womit wir wieder beim Thema sind, das sich durch alle Sendungen durchzieht – reden. Was machen wir aber mit dem starken Geschlecht, das nun partout nicht so gern über sowas redet? Was kann die Frau, was sollte der Mann tun?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Äh, wer ist für Sie das starke Geschlecht? Die Männer? Sind Sie sich da sicher? Ich glaube, nach wie vor, ich sehe das etwas anders, die Männer reden schon …<br />Zu diesem Thema, passt für mich ein Satz. Er gilt allerdings für beide Geschlechter. Den Satz habe ich vor Jahren von einem Coach gehört habe und ich mich damals tierisch darüber aufgeregt habe. Dieser Satz war: Liebe ist eine Entscheidung!<br />Heute kann ich dem nur zustimmen, entweder will ich eine Liebesbeziehung, eine erfüllende romantische, oder ich lasse es.<br />Meine grundsätzliche Haltung: Jeder bleibt bei sich. Niemand tut was, um etwas zu erhalten. Ich schenke Liebe und nichts anderes.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Um das Ganze nochmal zusammenfassen: Schluss mit der Entwertung der Frau, sie sei lustlos. Frauen lieben es, ihre Sinnlichkeit zu leben – aber ganz nach ihrem Gusto – allein oder mit dem Mann!</em></p></div> <div class="feed-description"><p><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Schloss_Herrenchiemsee_KL.jpg" alt="Schloss Herrenchiemsee KL" width="350" style="margin-right: 10px; float: left;" /><strong>Interview mit der Priener&nbsp;<a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de/" target="_blank">Sexual- und Partnertherapeutin Dr. Jutta Kossat</a>&nbsp;im Rahmen des „Kölner SexTalks“ für&nbsp;<a href="http://www.koeln-insight.tv/index.php?option=com_content&amp;view=article&amp;id=8800:interview-reihe-koelner-sextalk-bei-koeln-insight-tv-radio-edition-heute-ab-20uhr-die-lustlose-frau-gibt-es-nicht&amp;catid=98&amp;Itemid=129" target="_blank">Köln-Insight.TV</a>&nbsp;Radio Edition.&nbsp;</strong>Für alle jene, die die Sendung nicht live anhören konnten, hier die Inhalte zum Nachlesen.</p> <p><strong>Provokation: Die lustlose Frau gibt es nicht!</strong><br /><em>Alpenwelt.TV: Heute sind wir wieder zu Gast bei Dr. Jutta Kossat; nachdem wir uns den Themen „grundlos sexlos“ sowie Sexmythen, die als Sexkiller wirken, gewidmet haben, wenden wir uns heute Abend der Frau zu – der Titel für die heutige Sendung: Die lustlose Frau gibt es nicht. Das ist provokativ gemeint, denn wie Sie aus Studien und Ihrer Praxis wissen, sagen viele Frauen, dass sie keine Lust auf Sex haben. Ob das tatsächlich so ist bzw. warum und wie man das ändern könnte, das schauen wir uns heute genauer an. </em><br /><em>Zuvor aber möchte wir gerne noch eine Leseranfrage beantworten; eine Zuhörerin wollte wissen, was wir von der Aussage halten: Guter Sex muss immer fulminant und großartig sein! Liebe Anja aus Köln – hier die Antwort von Dr. Jutta Kossat</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Nein, muss er nicht – dies ist ein weiterer Mythos, den ich für enorm belastend halte.<br />Wir gehen alle immer davon aus, dass jeder Sex super sein muss, aber das muss er nicht und kann er auch gar nicht.<br />Sex kann manchmal einfach nur nett oder auch mal vollkommen schiefgehen. Ja und!<br />Wenn ich koche und mein Essen anbrennt, esse ich trotzdem am nächsten Tag wieder. Ich koche auch wieder. Ich ärgere mich kurz, okay, aber dann vergesse ich es, hake es ab und fertig.<br />So ticken wir beim Sex nicht. Da wird das zum Drama und oft gehen wir in eine Vermeidungsstrategie.<br />Da muss ich provokant sagen: Guten Sex gibt es nicht ohne schlechten Sex!<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em> <em>Das mit dem Kochen ist doch wirklich ein stimmiges Bild. Was mache ich mit provokant gesagt schlechtem Sex in einer langjährigen Beziehung?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich mache es wie mit meinem Partner: Ohne seine Ecken und Kanten ist er nicht zu haben, also fokussiere ich mich auf die schönen Seiten an ihm und am Sex und nehme mal ein Schiefgehen in Kauf.<br />Damit meine ich natürlich nicht, dauernd unbefriedigenden Sex, den kann ich nicht ignorieren.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Also nun zum aktuellen Thema, das Sie auch ein wenig provokant betitelt haben - Die lustlose Frau gibt es nicht! Was meinen Sie damit?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich behaupte, die lustlose Frau gibt es nicht, obwohl viele Studien die Lustlosigkeit oder Libidostörung der Frau belegen. <br />Manchmal gibt es Zahlen bis zu 60 % der Frauen wären betroffen, diese Zahlen berücksichtigen aber nicht, dass viele darunter gar keinen Leidensdruck haben. Realistischere Zahlen sind 8 bis 20 % je nach Studie.<br />Generell müssen wir an dieser Stelle mal sagen, was wir hier so plaudern gilt natürlich nie für alle, aber es ist eine Tendenz. Im Mittelpunkt steht immer der individuelle einzigartige Mensch.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Was sind weitere Voraussetzungen, damit die Frau sinnlich wird?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat</strong>: Nach dem Satz: Ich brauche erstmal Zeit für mich, um Lust zu bekommen, kommt eigentlich der nächste Satz: Und ich brauche Zeit mit meinem Partner. <br />Damit meinen die meisten Frauen, sie brauchen intime Zeit mit dem Partner. Sie müssen ein emotional intensives Gespräch mit dem Partner führen. Sie müssen ihn spüren.<br />Dafür gibt es auch ein sehr schönes Modell von Frau Ruth Basson. Sie hat gesagt, also so in etwa, Frauen v. a. in einer Langzeitbeziehung werden erst für sexuelle Reize empfänglich, wenn Sie eine intensive emotionale Nähe zum Partner spüren.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Das heißt, die Frauen benötigen Aufmerksamkeit, Zeit für sich und Zeit mit dem Partner. Wie kann man emotionale Nähe herstellen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich spüre emotionale Nähe am ehesten in der Zweisamkeit, nicht wenn ich in einer Freundesrunde zum Essen gehe.<br />Ich spüre emotionale Nähe, wenn ich mich darüber unterhalte, wie es dem anderen geht, was ihn beschäftigt, was seine Werte sind, wie es ihm in der Beziehung geht und und und<br />Ich werde null emotionale Nähe spüren, wenn ich über Alltagsprobleme rede, v. a. meist geht es bei den Paaren um die Organisation des stressigen Alltages, wer macht wann wo was oder um Probleme mit Kindern etc.<br />Die eigentliche Paarzeit geht verloren.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em> <em>Hört sich doch eigentlich ganz leicht an, woran scheitert es – weil Männer gerade eben nicht so gerne solche Gespräche führen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Tut mir leid, kann ich so wieder nicht stehen lassen. Ich denke, es liegt an beiden Partnern.<br />Vielleicht wiederhole ich mich, aber das Scheitern liegt daran, dass einerseits die Frauen durch Beruf, Kinder, Haushalt so belastet sind, dass sie gar nicht darüber reflektieren können, welche Liebesbedingungen sie brauchen.<br />Und wenn sie es wissen, sorgen sie nicht dafür, sie zu bekommen. Nach dem bekannten Motto er wird schon wissen was ich will. <br />Andererseits ist es tatsächlich so, dass für Männer emotional gefärbte Gespräche ungewohnt sind, aber ehrlich gesagt in der Verliebtheitsphase konnten sie es doch auch. D.h. sie können es.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Wie kommen Sie dann zu Ihrer Behauptung, das müssen Sie uns jetzt genauer erklären.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ich fange anders an: Es stimmt, in meine Praxis kommen viele Frauen mit dem Satz: Ich habe keine Lust. Stimmt.<br />Wenn ich aber genauer nachfrage, worauf sie keine Lust hat, sieht das schon ganz anders aus.<br />Die meisten Frauen können nach genauem Nachfragen und etwas Zeit, nämlich schon ihre individuellen Liebesbedingungen ganz gut benennen. Nur deckt sich ihre Realität nicht mit ihren optimalen Liebesbedingungen.<br /><em>Alpenwelt.TV:</em>&nbsp;Das heißt, sie wissen, was sie wollen, aber nicht, wie sie das bekommen?<br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Jein, würde ich sagen. Sie wissen, was sie wollen, wenn ich genau nachfrage und sie Zeit zum Nachdenken haben, in dem Sinne Ja.<br />Im ersten Moment wissen viele erstmal nicht, worauf sie Lust haben. Ist ja auch eine ungewöhnliche Frage.<br />Die Frauen wissen eher in erster Linie, worauf sie keine Lust haben bzw. dass sie keine Lust haben, und fühlen sich als lustlose Frau, wobei das nicht stimmt. <br />Die Sinnlichkeit ist nur verdeckt. Ich würde ihre Frage dahin beantworten, die meisten Frauen wissen unbewusst sehr wohl, was sie wollen.<br />Frauen haben ein ganz feines Gespür, ob der Sex es wert ist, gelebt zu werden oder nicht. Und wenn er es nicht wert ist, verspüren Sie keine Lust, welch Wunder! <br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;D. h. heißt also nicht, dass sie lustlos sind, sondern nur, dass der Sex für sie nicht erfüllend ist und sie entsprechend keine Lust mit dem Partner auf Sex haben haben.</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja., z. B. ca. 50 % meiner Patientinnen, die sich selbst als lustlose Frauen benennen würden, masturbieren.<br />Provokativ gesagt: Bin ich eine lustlose Frau, wenn ich Lust auf Selbstliebe habe? Ich würde sagen, nein, das ist eine Sinnlichkeit.<br />Eine meiner Patientinnen sagte einmal, am liebsten masturbiere sie, am Samstagmorgen, wenn der Mann mit den Kindern zum Einkaufen geht und sie Zeit für sich hat. Sie dusche erst mal gemütlich, dabei entspanne sie sich schon, und es ginge ihr dann richtig gut.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;So das heißt, die meisten Frauen nach Ihrer Erfahrung brauchen, um in die richtige Stimmung zu gelangen, zum einen den Faktor Zeit und zum anderen ein entspannter Zustand oder eine relaxte Situation – ist das richtig?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja – Zeit für sich, Entspannung, es muss ihr gut gehen – das, sagen ca. 90 % meiner Patientinnen, sind Grundvoraussetzungen für Sinnlichkeit. Natürlich gilt das nicht für alle Frauen.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Ich weiß von Ihnen, Sie sind in einer Langzeitbeziehung. Wie machen Sie es, wie bekommen Sie solche Gespräche hin? Geben Sie uns einmal ein paar Tipps.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wir machen es so, dass wir ganz bewusst einen Abend oder ein Wochenende zusammen verbringen, wo wir zuvor verabreden, nicht über unsere Alltagssorgen zu sprechen, sondern über alles andere, aber nicht Konflikte des Alltags. Wir reden über Beziehungen an sich, über unsere Zuneigung, unsere Liebe. Kurz gesagt, wir flirten miteinander. Das kann jeder, er muss sich nur dafür entscheiden.<br />Die Hauptsache ist die intime Zeit zu zweit, das Reden.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Womit wir wieder beim Thema sind, das sich durch alle Sendungen durchzieht – reden. Was machen wir aber mit dem starken Geschlecht, das nun partout nicht so gern über sowas redet? Was kann die Frau, was sollte der Mann tun?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Äh, wer ist für Sie das starke Geschlecht? Die Männer? Sind Sie sich da sicher? Ich glaube, nach wie vor, ich sehe das etwas anders, die Männer reden schon …<br />Zu diesem Thema, passt für mich ein Satz. Er gilt allerdings für beide Geschlechter. Den Satz habe ich vor Jahren von einem Coach gehört habe und ich mich damals tierisch darüber aufgeregt habe. Dieser Satz war: Liebe ist eine Entscheidung!<br />Heute kann ich dem nur zustimmen, entweder will ich eine Liebesbeziehung, eine erfüllende romantische, oder ich lasse es.<br />Meine grundsätzliche Haltung: Jeder bleibt bei sich. Niemand tut was, um etwas zu erhalten. Ich schenke Liebe und nichts anderes.<br /><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;Um das Ganze nochmal zusammenfassen: Schluss mit der Entwertung der Frau, sie sei lustlos. Frauen lieben es, ihre Sinnlichkeit zu leben – aber ganz nach ihrem Gusto – allein oder mit dem Mann!</em></p></div> Mythen beim Sex - Interview mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat 2015-06-13T16:27:04+02:00 2015-06-13T16:27:04+02:00 https://alpenwelt-tv.de/index.php/gesundheit/interview/246-gesundheit-im-interview/568-mythen-beim-sex-interview-mit-der-priener-paartherapeutin-dr-jutta-kossat.html Petra Wagner wagner@text-fabrik.de <div class="feed-description"><p><strong><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Pfingstrose_beschn.jpg" alt="Pfingstrose beschn" width="350" style="margin-right: 10px; float: left;" />Interview mit der Priener <a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de" target="_blank">Sexual- und Partnertherapeutin Dr. Jutta Kossat</a>&nbsp;im Rahmen des „Kölner SexTalks“ für&nbsp;<a href="http://www.koeln-insight.tv/index.php?option=com_content&amp;view=article&amp;id=8800:interview-reihe-koelner-sextalk-bei-koeln-insight-tv-radio-edition-heute-ab-20uhr-die-lustlose-frau-gibt-es-nicht&amp;catid=98&amp;Itemid=129" target="_blank">Köln-Insight.TV</a>&nbsp;Radio Edition. </strong>Hier die Inhalte zum Nachlesen.</p> <p><strong>Sexmythen als Sexkiller</strong><br /><em>Alpenwelt.TV: In der Sendung vom vergangenen Montag haben wir erfahren, wie man sein Liebesleben auch langjährig aktiv und lustvoll halten bzw. wie man eine Flaute im Bett verhindern bzw. beseitigen kann. Es geht beim Sex nicht um Techniken, sondern um Intimität und Nähe - bei beiden Geschlechtern gleichermaßen. </em><em>eute wollen wir uns nun mit gängigen Mythen beschäftigen, und zwar Sexmythen, die als Sexkiller wirken. Denn auch in unserer aufgeklärten Zeit, in der die Medien sehr offen und freizügig über Sex informieren, existieren in den Köpfen der Menschen noch immer Ansichten über unser Liebesleben, die alles andere als förderlich für den erfüllenden Liebesakt sind.</em><br /><em>Frau Dr. Kossat – um welche Mythen handelt es sich und was ist das Fatale an Ihnen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wir hatten ja schon beim ersten Interview einige Sexualmythen erwähnt wie zum Beispiel erwähnt: <br />• Männer wollen nur das eine <br />• Sex muss spontan sein – Lust kommt von alleine<br />• Liebe/Sex braucht keine Worte<br />• In langjährigen Beziehungen wird Sex unweigerlich seltener und schlechter.<br />Das Fatale an ihnen ist …<br />• Sexualmythen schränken uns ein,<br />• strengen uns an, weil sie nicht zu uns passen,<br />• machen Leistungsdruck,<br />• verhindern individuelle Sexualität und sexuelle Freiheit,<br />• erlauben mir nicht meine Sinnlichkeit so zu leben, wie es für mich passt<br />• gerade für Frauen fehlt oft die eigene Erlaubnis, ihre persönliche Erotik leben zu dürfen<br />• bewusst oder unbewusste Beeinflussung<br />• wir nehmen Beeinflussung schon gar nicht mehr wahr.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Man sollte doch meinen, in einer aufgeklärten Zeit, wie der heutigen, wissen wir alles ganz genau – und den Rest können wir in den Medien nachlesen oder gleich anschauen – warum sind wir nicht frei von Vorurteilen? Und woher kommen diese Mythen überhaupt?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Viele lassen sich noch auf traditionelle Rollenmuster zurückführen, wie der immer potente, Testosteron-gesteuerte Mann, der hilflos seinen Trieben ausgesetzt ist.<br />• Mythen sind gesellschaftsabhängig. <br />• Viele entsprechen sicher auch unserem Zeitgeist, alles optimieren zu müssen, deshalb heißt es heute auch nicht ein Orgasmus darf sein, sondern es heißt Orgas-muss.<br />• Natürlich spielen noch die Medien eine große Rolle. Sie gaukeln eine freie Sexualität vor. Diese vermeintliche Freiheit bringt aber auf der anderen Seite auch Druck und Leistungsdenken. Ein bisschen wie der Slogan der 68er.: „Wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment.“ War sicher auch nicht entspannend.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Ok, das heißt, die Offenheit, die wir heute in den Medien erleben, beschert uns nicht die gewünscht sexuelle Freiheit, sondern sie engt uns wieder ein, weil wir nun glauben, alle Erwartungen an die Super-Liebhaber/innen erfüllen zu müssen. Deshalb räumen wir heute mit einigen der gängigsten Mythen auf – Frau Dr. Kossat, was aus Ihrer Erfahrung schwirrt in den Köpfen der Menschen irrtümlich an Vorurteilen in Sachen Sex herum – und was viel wichtiger ist: Welche Sexmythen wirken dabei als Sexkiller?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Picken wir uns ein paar raus.<br />1. Männer können immer.<br />2. Männer brauchen das, sonst gehen sie fremd.<br />3. Gute Sextechnik führt zu großer Lust und Erregung.<br />4. Ein Mann bringt eine Frau zum Orgasmus.<br />5. Sextoys als Unterstützung der Stimulation</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Männer können immer?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:<br /></strong>• Nein.<br />• Auch Männer unterliegen Stressfaktoren.<br />• Egal welcher Stress - beruflicher oder privater Stress führt zu verminderter Lust.<br />• Was wir Frauen oft vollkommen übersehen, ist der Leistungsdruck den Männer, bezüglich ihrer sichtbaren Erregung, der Erektion, haben.<br />• Frauen können Erregung vorspielen, und das ist auf eine gewisse Art auch entspannend, wir können ganz entspannt zusehen, ob die Lust sich bei uns entwickelt oder nicht, wir können uns einfach erstmal drauf einlassen.<br />• So nicht bei Männern.<br />• Von Männern wird erwartet, dass der Penis steif ist. Und zwar von Anfang an bis zum Ende. Ganz schön anstrengend. Auch Sie können den Kopf nicht frei haben.<br />• Und schwupp lässt der Gedanke an das nächste Meeting den Penis schwächeln.<br />• Wenn jetzt dazu kommt, dass die schwächelnde Erektion den Mann oder auch seine Partnerin stresst, kommt es ganz schnell zu Erektionsstörungen.<br />• Wir können es uns nicht vorstellen, aber nur ein bis zwei negative Erfahrungen, der Penis steht nicht, wenn er stehen soll, reichen für eine chronische Erektionsstörung aus.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Die dann im Kopf seine Ursache hat? ... Wie sollte die Frau oder auch der Mann damit umgehen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Erstmal sich klar machen, Männer können auch nicht immer.<br />• Als Frau ist es wichtig, dass sie das Nichtkönnen nicht auf sich bezieht, das wäre die klassische Frauenfalle.<br />• Der Mann kann nicht, also liegt es an mir.<br />• Und auch der Mann sollte sich überlegen, will ich wirklich jetzt Sex oder ist mein Bedürfnis, was ganz anders, zum Beispiel ausruhen oder auch einfach Zeit für mich haben.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Landläufige Frauenmeinung und ihre Folgen - Männer brauchen Sex, sonst gehen sie fremd.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Das höre ich sehr oft von Frauen.<br />• Die Frauen haben im Grunde keine Lust, sind aber soweit mit sich eigentlich zufrieden und vermissen ihre sexuelle Lust nicht.<br />• So, jetzt sind sie aber in einer Partnerschaft und entweder haben sie nur das Gefühl, der Mann braucht das oder der Mann formuliert das sogar so.<br />• Die Frau fühlt sich also unter Druck, sie möchte den Partner nicht verlieren und begibt sich in die klassische Frauenfalle. Sie hat Sex, dem Partner zuliebe.<br />• Sie ist als nur Erfüllungsgehilfin.</p> <p>A<em>lpenwelt.TV: Welche Auswirkungen hat das auf das Liebesleben der beiden?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Das kann mehrere fatale Folgen haben.<br />• Einerseits werden die Lust der Frau oder ihre eigenen Bedürfnisse immer schwächer, weil sie gegen ihren eigentlichen Willen handelt. Im Extremfall kann das sogar zu einer sexuellen Aversion führen, das heißt die Frau empfindet Ekel vor Sex.<br />• Andererseits fühlt der Mann bewusst oder unbewusst, dass sie nicht wirklich Lust hat und es nur ihm zuliebe macht. Das heißt sein eigentliches Bedürfnis, sich nahe zu fühlen im Sex, wird nicht befriedigt. Denn auch beim Mann besteht das Bedürfnis nach Nähe, das er über Sex zu erfüllen sucht. <br />• Nach einem Sex, dem anderen zuliebe, kann der andere nicht ein Gefühl des Angenommenseins, des Ich-bin-okay-wie-ich-bin haben, und darum geht es ja.<br />• Sondern im Grunde fühlt sich der Partner frustriert und sein eigentliches Bedürfnis ist nicht erfüllt worden und damit auch nicht die Gefahr der Affäre. Weil auch in den Affären geht es um Nähe und Beziehung.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Das heißt also, ja Männer brauchen Sex, aber Frauen sollten dennoch nicht gegen ihre eigenen Lustgefühle agieren – das geht in die falsche Richtung. Was aber dann? Da fällt mir doch gleich das nächste Statement ein: Ein richtiger Kerl, der weiß, wie es geht, bringt seine Partnerin schon auf Touren … führt die richtige Sextechnik zu großer Lust und Erregung?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Nein, stimmt so nicht. <br />• Ich kann ganz beziehungslos, ohne Intimität Sex haben, kann das Kamasuthra rauf und runter turnen und dabei mich nicht wirklich gefühlsmäßig berühren lassen.<br />• Ohne wahre Intimität würde ich das aber nicht als Sexualität definieren, sondern als Sex-Workout, da kann ich auch genauso gut auf den Berg gehen.<br />• Beispielsweise die Frau kann sich in der Cosmopolitan die perfekte Oralverkehr-Technik anlesen (Cosmopolitan: Blow Job spezial), aber wenn es nicht ihr entspricht und nicht zu ihrem sexuellen Wesen passt, wird es auch für den Partner nur schal.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Also die Technik allein ist es nicht, jeder sollte sich nur auf Bettspiele einlassen, wenn es ihm wirklich danach ist – ok. Aber wie kommen die beiden und vor allem die Frau zu ihrem Höhepunkt. Hier fügt sich nahtlos der nächste Mythos ein – der Mann bringt die Frau schon zum Orgasmus …<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Ja, wenn das stimmen würde, dann kann ich nur sagen, arme Männer, unter diesem Leistungsdruck wollte ich nicht stehen.<br />• Insbesondere, da die weibliche Stimulation ganz individuell ist, dem Thema könnten wir aber mal eine ganze Sendung widmen.<br />• Tatsache ist, dass Frauen sich im Normalfall selbst zum Orgasmus bringen.<br />• Natürlich gehört der Mann dazu.<br />• Auslösend für den Orgasmus ist aber die für die Frau passende Stimulation, der für sie passende Rhythmus und die passenden Gedanken/Phantasien.<br />• Und die meisten Frauen, die beim vaginalen Geschlechtsverkehr einen Orgasmus haben, sagen, das geht nur in einer bestimmten Position und wenn sie den Rhythmus bestimmen können und sie dieses und jenes noch machen …<br />• Letztendlich bringt sich jeder selbst zum Orgasmus.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Und eigentlich ist das doch eine gute Nachricht – jeder ist für sich und seine Erfüllung verantwortlich – das ist doch eine riesige Entlastung für beide – keiner stellt den anderen unter Erwartungsdruck, fühlt sich das nicht für beide frei und leicht an?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, Sie haben das sehr schön ausgeführt, das wäre der richtige Schritt in Richtung Lebensfreude und Leichtigkeit.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Nun kommen wir zu unserem letzten Punkt für heute – Sexspielzeug als stimulierende Unterstützung – was können sie uns dazu sagen?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:<br /></strong>• Das Gleiche gilt natürlich auch für die ganzen Sextoys. Einschränkend muss man aber sagen, dass viele Frauen auf Vibratoren stehen.<br />• Ich habe nicht wenige Patientinnen, die sagen, mit dem Vibrator hatte ich meinen ersten Orgasmus. Es darf, aber muss kein Sexspielzeug sein.&nbsp;<br />• Dieses ganze Gerede um Sextechniken und Spielzeug, ist Schwachsinn, weil es gibt einen Leitsatz in der Sexualität: „Nichts ist erregender als ein erregter Partner oder Partnerin.“</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Also auch dieses Statement ist doch vielversprechend und beruhigend zugleich – es braucht nichts, außer dass wir ganz wir selbst sind.</em></p> <p><em>Diesen Appell möchten wir Euch gern mit auf den Weg in die Woche geben – seid Ihr selbst, authentisch und klar. Und wenn Ihr mögt, räumen wir nächsten Montag mit weiteren sexkillenden Mythen auf.&nbsp;</em><br /><em>Das Gespräch führte Petra Wagner │ Text-Fabrik für Köln-Insight.TV und Alpenwelt.TV</em></p></div> <div class="feed-description"><p><strong><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Pfingstrose_beschn.jpg" alt="Pfingstrose beschn" width="350" style="margin-right: 10px; float: left;" />Interview mit der Priener <a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de" target="_blank">Sexual- und Partnertherapeutin Dr. Jutta Kossat</a>&nbsp;im Rahmen des „Kölner SexTalks“ für&nbsp;<a href="http://www.koeln-insight.tv/index.php?option=com_content&amp;view=article&amp;id=8800:interview-reihe-koelner-sextalk-bei-koeln-insight-tv-radio-edition-heute-ab-20uhr-die-lustlose-frau-gibt-es-nicht&amp;catid=98&amp;Itemid=129" target="_blank">Köln-Insight.TV</a>&nbsp;Radio Edition. </strong>Hier die Inhalte zum Nachlesen.</p> <p><strong>Sexmythen als Sexkiller</strong><br /><em>Alpenwelt.TV: In der Sendung vom vergangenen Montag haben wir erfahren, wie man sein Liebesleben auch langjährig aktiv und lustvoll halten bzw. wie man eine Flaute im Bett verhindern bzw. beseitigen kann. Es geht beim Sex nicht um Techniken, sondern um Intimität und Nähe - bei beiden Geschlechtern gleichermaßen. </em><em>eute wollen wir uns nun mit gängigen Mythen beschäftigen, und zwar Sexmythen, die als Sexkiller wirken. Denn auch in unserer aufgeklärten Zeit, in der die Medien sehr offen und freizügig über Sex informieren, existieren in den Köpfen der Menschen noch immer Ansichten über unser Liebesleben, die alles andere als förderlich für den erfüllenden Liebesakt sind.</em><br /><em>Frau Dr. Kossat – um welche Mythen handelt es sich und was ist das Fatale an Ihnen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Wir hatten ja schon beim ersten Interview einige Sexualmythen erwähnt wie zum Beispiel erwähnt: <br />• Männer wollen nur das eine <br />• Sex muss spontan sein – Lust kommt von alleine<br />• Liebe/Sex braucht keine Worte<br />• In langjährigen Beziehungen wird Sex unweigerlich seltener und schlechter.<br />Das Fatale an ihnen ist …<br />• Sexualmythen schränken uns ein,<br />• strengen uns an, weil sie nicht zu uns passen,<br />• machen Leistungsdruck,<br />• verhindern individuelle Sexualität und sexuelle Freiheit,<br />• erlauben mir nicht meine Sinnlichkeit so zu leben, wie es für mich passt<br />• gerade für Frauen fehlt oft die eigene Erlaubnis, ihre persönliche Erotik leben zu dürfen<br />• bewusst oder unbewusste Beeinflussung<br />• wir nehmen Beeinflussung schon gar nicht mehr wahr.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Man sollte doch meinen, in einer aufgeklärten Zeit, wie der heutigen, wissen wir alles ganz genau – und den Rest können wir in den Medien nachlesen oder gleich anschauen – warum sind wir nicht frei von Vorurteilen? Und woher kommen diese Mythen überhaupt?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Viele lassen sich noch auf traditionelle Rollenmuster zurückführen, wie der immer potente, Testosteron-gesteuerte Mann, der hilflos seinen Trieben ausgesetzt ist.<br />• Mythen sind gesellschaftsabhängig. <br />• Viele entsprechen sicher auch unserem Zeitgeist, alles optimieren zu müssen, deshalb heißt es heute auch nicht ein Orgasmus darf sein, sondern es heißt Orgas-muss.<br />• Natürlich spielen noch die Medien eine große Rolle. Sie gaukeln eine freie Sexualität vor. Diese vermeintliche Freiheit bringt aber auf der anderen Seite auch Druck und Leistungsdenken. Ein bisschen wie der Slogan der 68er.: „Wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment.“ War sicher auch nicht entspannend.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Ok, das heißt, die Offenheit, die wir heute in den Medien erleben, beschert uns nicht die gewünscht sexuelle Freiheit, sondern sie engt uns wieder ein, weil wir nun glauben, alle Erwartungen an die Super-Liebhaber/innen erfüllen zu müssen. Deshalb räumen wir heute mit einigen der gängigsten Mythen auf – Frau Dr. Kossat, was aus Ihrer Erfahrung schwirrt in den Köpfen der Menschen irrtümlich an Vorurteilen in Sachen Sex herum – und was viel wichtiger ist: Welche Sexmythen wirken dabei als Sexkiller?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Picken wir uns ein paar raus.<br />1. Männer können immer.<br />2. Männer brauchen das, sonst gehen sie fremd.<br />3. Gute Sextechnik führt zu großer Lust und Erregung.<br />4. Ein Mann bringt eine Frau zum Orgasmus.<br />5. Sextoys als Unterstützung der Stimulation</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Männer können immer?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:<br /></strong>• Nein.<br />• Auch Männer unterliegen Stressfaktoren.<br />• Egal welcher Stress - beruflicher oder privater Stress führt zu verminderter Lust.<br />• Was wir Frauen oft vollkommen übersehen, ist der Leistungsdruck den Männer, bezüglich ihrer sichtbaren Erregung, der Erektion, haben.<br />• Frauen können Erregung vorspielen, und das ist auf eine gewisse Art auch entspannend, wir können ganz entspannt zusehen, ob die Lust sich bei uns entwickelt oder nicht, wir können uns einfach erstmal drauf einlassen.<br />• So nicht bei Männern.<br />• Von Männern wird erwartet, dass der Penis steif ist. Und zwar von Anfang an bis zum Ende. Ganz schön anstrengend. Auch Sie können den Kopf nicht frei haben.<br />• Und schwupp lässt der Gedanke an das nächste Meeting den Penis schwächeln.<br />• Wenn jetzt dazu kommt, dass die schwächelnde Erektion den Mann oder auch seine Partnerin stresst, kommt es ganz schnell zu Erektionsstörungen.<br />• Wir können es uns nicht vorstellen, aber nur ein bis zwei negative Erfahrungen, der Penis steht nicht, wenn er stehen soll, reichen für eine chronische Erektionsstörung aus.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Die dann im Kopf seine Ursache hat? ... Wie sollte die Frau oder auch der Mann damit umgehen?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Erstmal sich klar machen, Männer können auch nicht immer.<br />• Als Frau ist es wichtig, dass sie das Nichtkönnen nicht auf sich bezieht, das wäre die klassische Frauenfalle.<br />• Der Mann kann nicht, also liegt es an mir.<br />• Und auch der Mann sollte sich überlegen, will ich wirklich jetzt Sex oder ist mein Bedürfnis, was ganz anders, zum Beispiel ausruhen oder auch einfach Zeit für mich haben.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Landläufige Frauenmeinung und ihre Folgen - Männer brauchen Sex, sonst gehen sie fremd.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Das höre ich sehr oft von Frauen.<br />• Die Frauen haben im Grunde keine Lust, sind aber soweit mit sich eigentlich zufrieden und vermissen ihre sexuelle Lust nicht.<br />• So, jetzt sind sie aber in einer Partnerschaft und entweder haben sie nur das Gefühl, der Mann braucht das oder der Mann formuliert das sogar so.<br />• Die Frau fühlt sich also unter Druck, sie möchte den Partner nicht verlieren und begibt sich in die klassische Frauenfalle. Sie hat Sex, dem Partner zuliebe.<br />• Sie ist als nur Erfüllungsgehilfin.</p> <p>A<em>lpenwelt.TV: Welche Auswirkungen hat das auf das Liebesleben der beiden?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Das kann mehrere fatale Folgen haben.<br />• Einerseits werden die Lust der Frau oder ihre eigenen Bedürfnisse immer schwächer, weil sie gegen ihren eigentlichen Willen handelt. Im Extremfall kann das sogar zu einer sexuellen Aversion führen, das heißt die Frau empfindet Ekel vor Sex.<br />• Andererseits fühlt der Mann bewusst oder unbewusst, dass sie nicht wirklich Lust hat und es nur ihm zuliebe macht. Das heißt sein eigentliches Bedürfnis, sich nahe zu fühlen im Sex, wird nicht befriedigt. Denn auch beim Mann besteht das Bedürfnis nach Nähe, das er über Sex zu erfüllen sucht. <br />• Nach einem Sex, dem anderen zuliebe, kann der andere nicht ein Gefühl des Angenommenseins, des Ich-bin-okay-wie-ich-bin haben, und darum geht es ja.<br />• Sondern im Grunde fühlt sich der Partner frustriert und sein eigentliches Bedürfnis ist nicht erfüllt worden und damit auch nicht die Gefahr der Affäre. Weil auch in den Affären geht es um Nähe und Beziehung.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Das heißt also, ja Männer brauchen Sex, aber Frauen sollten dennoch nicht gegen ihre eigenen Lustgefühle agieren – das geht in die falsche Richtung. Was aber dann? Da fällt mir doch gleich das nächste Statement ein: Ein richtiger Kerl, der weiß, wie es geht, bringt seine Partnerin schon auf Touren … führt die richtige Sextechnik zu großer Lust und Erregung?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Nein, stimmt so nicht. <br />• Ich kann ganz beziehungslos, ohne Intimität Sex haben, kann das Kamasuthra rauf und runter turnen und dabei mich nicht wirklich gefühlsmäßig berühren lassen.<br />• Ohne wahre Intimität würde ich das aber nicht als Sexualität definieren, sondern als Sex-Workout, da kann ich auch genauso gut auf den Berg gehen.<br />• Beispielsweise die Frau kann sich in der Cosmopolitan die perfekte Oralverkehr-Technik anlesen (Cosmopolitan: Blow Job spezial), aber wenn es nicht ihr entspricht und nicht zu ihrem sexuellen Wesen passt, wird es auch für den Partner nur schal.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Also die Technik allein ist es nicht, jeder sollte sich nur auf Bettspiele einlassen, wenn es ihm wirklich danach ist – ok. Aber wie kommen die beiden und vor allem die Frau zu ihrem Höhepunkt. Hier fügt sich nahtlos der nächste Mythos ein – der Mann bringt die Frau schon zum Orgasmus …<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong><br />• Ja, wenn das stimmen würde, dann kann ich nur sagen, arme Männer, unter diesem Leistungsdruck wollte ich nicht stehen.<br />• Insbesondere, da die weibliche Stimulation ganz individuell ist, dem Thema könnten wir aber mal eine ganze Sendung widmen.<br />• Tatsache ist, dass Frauen sich im Normalfall selbst zum Orgasmus bringen.<br />• Natürlich gehört der Mann dazu.<br />• Auslösend für den Orgasmus ist aber die für die Frau passende Stimulation, der für sie passende Rhythmus und die passenden Gedanken/Phantasien.<br />• Und die meisten Frauen, die beim vaginalen Geschlechtsverkehr einen Orgasmus haben, sagen, das geht nur in einer bestimmten Position und wenn sie den Rhythmus bestimmen können und sie dieses und jenes noch machen …<br />• Letztendlich bringt sich jeder selbst zum Orgasmus.</p> <p><em>Alpenwelt.TV:</em> <em>Und eigentlich ist das doch eine gute Nachricht – jeder ist für sich und seine Erfüllung verantwortlich – das ist doch eine riesige Entlastung für beide – keiner stellt den anderen unter Erwartungsdruck, fühlt sich das nicht für beide frei und leicht an?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Ja, Sie haben das sehr schön ausgeführt, das wäre der richtige Schritt in Richtung Lebensfreude und Leichtigkeit.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Nun kommen wir zu unserem letzten Punkt für heute – Sexspielzeug als stimulierende Unterstützung – was können sie uns dazu sagen?<br /></em><strong>Dr. Jutta Kossat:<br /></strong>• Das Gleiche gilt natürlich auch für die ganzen Sextoys. Einschränkend muss man aber sagen, dass viele Frauen auf Vibratoren stehen.<br />• Ich habe nicht wenige Patientinnen, die sagen, mit dem Vibrator hatte ich meinen ersten Orgasmus. Es darf, aber muss kein Sexspielzeug sein.&nbsp;<br />• Dieses ganze Gerede um Sextechniken und Spielzeug, ist Schwachsinn, weil es gibt einen Leitsatz in der Sexualität: „Nichts ist erregender als ein erregter Partner oder Partnerin.“</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Also auch dieses Statement ist doch vielversprechend und beruhigend zugleich – es braucht nichts, außer dass wir ganz wir selbst sind.</em></p> <p><em>Diesen Appell möchten wir Euch gern mit auf den Weg in die Woche geben – seid Ihr selbst, authentisch und klar. Und wenn Ihr mögt, räumen wir nächsten Montag mit weiteren sexkillenden Mythen auf.&nbsp;</em><br /><em>Das Gespräch führte Petra Wagner │ Text-Fabrik für Köln-Insight.TV und Alpenwelt.TV</em></p></div> Grundlos sexlos - Interview mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat 2015-06-12T16:18:16+02:00 2015-06-12T16:18:16+02:00 https://alpenwelt-tv.de/index.php/gesundheit/interview/246-gesundheit-im-interview/567-interview-mit-der-aerztin-und-sexualtherapeutin-dr-jutta-kossat.html Petra Wagner wagner@text-fabrik.de <div class="feed-description"><p><strong><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Rose_bschn.jpg" alt="Rose bschn" width="350" style="margin-right: 10px; float: left;" />Interview mit der Priener <a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de" target="_blank">Sexual- und Partnertherapeutin Dr. Jutta Kossat</a> im Rahmen des „Kölner SexTalks“ für <a href="http://www.koeln-insight.tv/index.php?option=com_content&amp;view=article&amp;id=8800:interview-reihe-koelner-sextalk-bei-koeln-insight-tv-radio-edition-heute-ab-20uhr-die-lustlose-frau-gibt-es-nicht&amp;catid=98&amp;Itemid=129" target="_blank">Köln-Insight.TV</a> Radio Edition.&nbsp;</strong>Hier die Inhalte zum Nachlesen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Hallo Frau Dr. Kossat, schön dass sie sich die Zeit genommen haben. Was uns brennend interessiert:</em></p> <p><em>Wer kommt in Ihre Praxis und warum?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Personen, die unzufrieden mit der Beziehung und ihrem Sexleben sind, oft keinen Sex mehr haben. Die Zeit vergeht, aus sexfreien Wochen werden Monate und Jahre.</p> <p><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em>Wie kommt es dazu, gibt es Ursachen und Gründe?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Auslösend sind am Anfang meist irgendwelche stressige Faktoren wie Partnerschaftskonflikte oder Stress im Beruf, Streit in der Familie. Dinge, die jeder kennt.<br />Einschneidend sind oft Schwangerschaft und Geburt eines Kindes und die damit veränderte Lebenssituation. Die Frau bekommt viel Liebe vom Kind, der Mann wird zur drittem Person.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Wie geht es den Paaren damit?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Die Paare sind hilflos, wissen nicht, wie sie wieder starten sollen. Sie hätten gern wieder ein Sexualleben und wissen nicht, wie sie es wieder aktivieren. Wer macht den ersten Schritt? Auch ist ein Problem der Verlust von Nähe, denn meist fehlt ja nicht nur der Sex, sondern jede Art von körperlicher Nähe - nach dem Schema, wo kein Sex ist, ist auch kein Kuss</p> <p>Warum sprechen die Paare nicht einfach miteinander und sagen, was ihnen fehlt.<br />Zuhause hat man nicht gelernt, darüber offen reden; dies fällt den meisten schwer. Über Sex wird vielleicht in den Medien geredet, aber nicht zu Hause mit dem Liebsten. Und der Mythos: Liebe und Sex braucht keine Worte tut sein Übriges dazu.&nbsp;</p> <p><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em>Warum ist das über Sex Reden so ein Tabu?</em>&nbsp;<br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;<br /></strong>• Naja, in den Medien bekommen wir meist ein supertolles Sexualleben mit allen Raffinessen, multiplen Orgasmen vorgelebt und selbst, gar kein Sex, das ist schwierig …<br />• Aber im Grunde geht es im Sex nicht um die propagierte Sextechniken, sondern um Nähe und Intimität.<br />• Zudem existiert eine große Verunsicherung. Besonders die Männer kommen schnell unter Leistungsdruck.<br />• Vereinfacht gesagt, geht es im Sex darum auf körperlicher Ebene zu erfahren, Ich-bin-okay-wie-ich-bin.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Sehen das Männer und Frauen in gleicher Weise – was ist mit den Geschlechterunterschieden?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Männer wollen nur das eine, nein das ist nicht wahr, auch sie wollen Nähe. Männer haben oft nur einen Kanal, um Nähe herstellen zu können oder einen Zugang zu ihren eigenen Gefühlen zu bekommen, nämlich durch sexuelle Nähe. Anders können sie ihre Gefühle oft nicht zeigen oder gar sagen. Das Problem dabei ist, dass es Frauen nicht gelingt, die Lust des Mannes als Nähe zu dechiffrieren und zu erkennen. Sie fühlen sich leicht als Lustobjekt.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Was ist mit den anderen Mythen – räumen Sie mal auf.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Lust kommt von selbst, guter Sex muss spontan sein - nein, man muss ihm Raum schaffen.<br />Zeit haben, um Lust und Intimität und Entspannung zu erleben. Wenn er mich liebt, weiß er, was ich brauche – nein, sie muss es ihm sagen. Jede Frau ist anders. In langjährigen Beziehungen gibt es automatisch immer weniger Sex – auch das stimmt nicht, es gibt durchaus Paare, denen das gelingt.</p> <p><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em>Wie können Paare dem „grundlos sexlos“ entgegensteuern.</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Sich Zeit nehmen, die eigenen Bedürfnisse kennen und aussprechen, den liebevoller Umgang mit küssen und in den Arm nehmen wieder pflegen.<br />Besser hinhören, was will er mir sagen. Den Partner auch nach Jahren immer wieder neu kennen lernen, Komplimente machen, auch kleine Dinge verändern sofort die Atmosphäre.</p> <p><em><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em></em>Die Lösung ist also, mit dem Partner zu reden?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;<br /></strong>• Auf die Initiative des Partners zu wart en, bringt nichts. Der wartet ja auch … <br />• Meist vergessen wir alle im Gefecht der Partnerschaft, dass es eigentlich um Liebe geht und nicht um Erwartungen. Liebesbeziehungen, Liebe kann man nur schenken, man hat kein Anrecht darauf und man darf nicht eine Handelsbeziehung daraus machen, nach dem Motto, wenn Du das machst, mach ich das …</p> <p><em><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em></em>Was kann man tun, wenn das Paar nun schon lange grundlos sexlos ist. Wie helfen Sie diesen Paaren?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;<br /></strong>• Also nehmen wir mal an, das Paar hatte aus den unterschiedlichsten Gründen seit Monaten keinen Sex mehr.<br />• Das Paar möchte aber zusammenbleiben und auch eine erfüllende Sexualität erleben.<br />• Dann kann die klare Vereinbarung, dass für die nächsten zwei Wochen kein Sex stattfindet, eine deutliche Entlastung sein, weil keine unterschwellige Erwartung bei beiden mehr da ist, im Sinne, wir müssten aber doch …<br />• Dann verabredet das Paar aber z. B. jeden Samstag- und Sonntagabend, zehn Minuten einander zu umarmen und zu kuscheln, ohne ein Streicheln der Brust oder der Genitalien.<br />• So können sie neue körperliche Erfahrungen machen und Nähe ohne Stress, Druck und Erwartungen erleben.</p> <p><em><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em></em>Und wie geht es den Paaren dann damit. Was passiert mit ihnen?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Es kommt Lebensfreude auf und meist auch die Erkenntnis, dass der andere nach so langer Zeit immer noch vertraut ist und dass es schön ist, zu berühren und berührt zu werden.</p> <p><em><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em></em>Was sind ihre persönlichen Favoriten als Garanten für eine glückliche und erfüllende Beziehung?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Den Fokus auf die positiven Eigenschaften des Partners legen, niemand ist vollkommen. <br />Verantwortung für sich übernehmen und nicht dem Partner zuschieben – und: Die Verletzlichkeit, die sich einstellt, in Kauf nehmen, denn ich bin verwundbar, wenn ich mich einlasse – aber es ist es Wert.</p> <p><em>Das Gespräch führte Petra Wagner │ Text-Fabrik für Köln-Insight.TV und Alpenwelt.TV</em></p> <p>Das Gemälde/Fotgrafie stammt von der Künstlerin <a href="http://www.kunstgalerie-im-stall.de" target="_blank">Aldona Sassek</a> "Zwei Frauen in Braun"</p> <p>&nbsp;</p> <p>&nbsp;</p></div> <div class="feed-description"><p><strong><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/Rose_bschn.jpg" alt="Rose bschn" width="350" style="margin-right: 10px; float: left;" />Interview mit der Priener <a href="http://www.partnerschaftsberatung-dr-kossat.de" target="_blank">Sexual- und Partnertherapeutin Dr. Jutta Kossat</a> im Rahmen des „Kölner SexTalks“ für <a href="http://www.koeln-insight.tv/index.php?option=com_content&amp;view=article&amp;id=8800:interview-reihe-koelner-sextalk-bei-koeln-insight-tv-radio-edition-heute-ab-20uhr-die-lustlose-frau-gibt-es-nicht&amp;catid=98&amp;Itemid=129" target="_blank">Köln-Insight.TV</a> Radio Edition.&nbsp;</strong>Hier die Inhalte zum Nachlesen.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Hallo Frau Dr. Kossat, schön dass sie sich die Zeit genommen haben. Was uns brennend interessiert:</em></p> <p><em>Wer kommt in Ihre Praxis und warum?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:</strong> Personen, die unzufrieden mit der Beziehung und ihrem Sexleben sind, oft keinen Sex mehr haben. Die Zeit vergeht, aus sexfreien Wochen werden Monate und Jahre.</p> <p><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em>Wie kommt es dazu, gibt es Ursachen und Gründe?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Auslösend sind am Anfang meist irgendwelche stressige Faktoren wie Partnerschaftskonflikte oder Stress im Beruf, Streit in der Familie. Dinge, die jeder kennt.<br />Einschneidend sind oft Schwangerschaft und Geburt eines Kindes und die damit veränderte Lebenssituation. Die Frau bekommt viel Liebe vom Kind, der Mann wird zur drittem Person.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Wie geht es den Paaren damit?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Die Paare sind hilflos, wissen nicht, wie sie wieder starten sollen. Sie hätten gern wieder ein Sexualleben und wissen nicht, wie sie es wieder aktivieren. Wer macht den ersten Schritt? Auch ist ein Problem der Verlust von Nähe, denn meist fehlt ja nicht nur der Sex, sondern jede Art von körperlicher Nähe - nach dem Schema, wo kein Sex ist, ist auch kein Kuss</p> <p>Warum sprechen die Paare nicht einfach miteinander und sagen, was ihnen fehlt.<br />Zuhause hat man nicht gelernt, darüber offen reden; dies fällt den meisten schwer. Über Sex wird vielleicht in den Medien geredet, aber nicht zu Hause mit dem Liebsten. Und der Mythos: Liebe und Sex braucht keine Worte tut sein Übriges dazu.&nbsp;</p> <p><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em>Warum ist das über Sex Reden so ein Tabu?</em>&nbsp;<br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;<br /></strong>• Naja, in den Medien bekommen wir meist ein supertolles Sexualleben mit allen Raffinessen, multiplen Orgasmen vorgelebt und selbst, gar kein Sex, das ist schwierig …<br />• Aber im Grunde geht es im Sex nicht um die propagierte Sextechniken, sondern um Nähe und Intimität.<br />• Zudem existiert eine große Verunsicherung. Besonders die Männer kommen schnell unter Leistungsdruck.<br />• Vereinfacht gesagt, geht es im Sex darum auf körperlicher Ebene zu erfahren, Ich-bin-okay-wie-ich-bin.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Sehen das Männer und Frauen in gleicher Weise – was ist mit den Geschlechterunterschieden?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Männer wollen nur das eine, nein das ist nicht wahr, auch sie wollen Nähe. Männer haben oft nur einen Kanal, um Nähe herstellen zu können oder einen Zugang zu ihren eigenen Gefühlen zu bekommen, nämlich durch sexuelle Nähe. Anders können sie ihre Gefühle oft nicht zeigen oder gar sagen. Das Problem dabei ist, dass es Frauen nicht gelingt, die Lust des Mannes als Nähe zu dechiffrieren und zu erkennen. Sie fühlen sich leicht als Lustobjekt.</p> <p><em>Alpenwelt.TV: Was ist mit den anderen Mythen – räumen Sie mal auf.</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Lust kommt von selbst, guter Sex muss spontan sein - nein, man muss ihm Raum schaffen.<br />Zeit haben, um Lust und Intimität und Entspannung zu erleben. Wenn er mich liebt, weiß er, was ich brauche – nein, sie muss es ihm sagen. Jede Frau ist anders. In langjährigen Beziehungen gibt es automatisch immer weniger Sex – auch das stimmt nicht, es gibt durchaus Paare, denen das gelingt.</p> <p><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em>Wie können Paare dem „grundlos sexlos“ entgegensteuern.</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Sich Zeit nehmen, die eigenen Bedürfnisse kennen und aussprechen, den liebevoller Umgang mit küssen und in den Arm nehmen wieder pflegen.<br />Besser hinhören, was will er mir sagen. Den Partner auch nach Jahren immer wieder neu kennen lernen, Komplimente machen, auch kleine Dinge verändern sofort die Atmosphäre.</p> <p><em><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em></em>Die Lösung ist also, mit dem Partner zu reden?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;<br /></strong>• Auf die Initiative des Partners zu wart en, bringt nichts. Der wartet ja auch … <br />• Meist vergessen wir alle im Gefecht der Partnerschaft, dass es eigentlich um Liebe geht und nicht um Erwartungen. Liebesbeziehungen, Liebe kann man nur schenken, man hat kein Anrecht darauf und man darf nicht eine Handelsbeziehung daraus machen, nach dem Motto, wenn Du das machst, mach ich das …</p> <p><em><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em></em>Was kann man tun, wenn das Paar nun schon lange grundlos sexlos ist. Wie helfen Sie diesen Paaren?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;<br /></strong>• Also nehmen wir mal an, das Paar hatte aus den unterschiedlichsten Gründen seit Monaten keinen Sex mehr.<br />• Das Paar möchte aber zusammenbleiben und auch eine erfüllende Sexualität erleben.<br />• Dann kann die klare Vereinbarung, dass für die nächsten zwei Wochen kein Sex stattfindet, eine deutliche Entlastung sein, weil keine unterschwellige Erwartung bei beiden mehr da ist, im Sinne, wir müssten aber doch …<br />• Dann verabredet das Paar aber z. B. jeden Samstag- und Sonntagabend, zehn Minuten einander zu umarmen und zu kuscheln, ohne ein Streicheln der Brust oder der Genitalien.<br />• So können sie neue körperliche Erfahrungen machen und Nähe ohne Stress, Druck und Erwartungen erleben.</p> <p><em><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em></em>Und wie geht es den Paaren dann damit. Was passiert mit ihnen?</em> <br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Es kommt Lebensfreude auf und meist auch die Erkenntnis, dass der andere nach so langer Zeit immer noch vertraut ist und dass es schön ist, zu berühren und berührt zu werden.</p> <p><em><em><em>Alpenwelt.TV:&nbsp;</em></em>Was sind ihre persönlichen Favoriten als Garanten für eine glückliche und erfüllende Beziehung?</em><br /><strong>Dr. Jutta Kossat:&nbsp;</strong>Den Fokus auf die positiven Eigenschaften des Partners legen, niemand ist vollkommen. <br />Verantwortung für sich übernehmen und nicht dem Partner zuschieben – und: Die Verletzlichkeit, die sich einstellt, in Kauf nehmen, denn ich bin verwundbar, wenn ich mich einlasse – aber es ist es Wert.</p> <p><em>Das Gespräch führte Petra Wagner │ Text-Fabrik für Köln-Insight.TV und Alpenwelt.TV</em></p> <p>Das Gemälde/Fotgrafie stammt von der Künstlerin <a href="http://www.kunstgalerie-im-stall.de" target="_blank">Aldona Sassek</a> "Zwei Frauen in Braun"</p> <p>&nbsp;</p> <p>&nbsp;</p></div> Interview mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat 2015-05-18T18:59:51+02:00 2015-05-18T18:59:51+02:00 https://alpenwelt-tv.de/index.php/gesundheit/interview/246-gesundheit-im-interview/544-interview-mit-der-aerztin-und-sexualtherapeutin-dr-jutta-kossat-2.html Petra Wagner wagner@text-fabrik.de <div class="feed-description"><p><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/logo_lebeart-magazin_Radio_Edition_2.jpg" alt="logo lebeart magazin Radio Edition 2" width="350" height="321" style="margin-right: 10px; float: left;" />Nachdem ich nun auf der Priener Gesundheitswoche in Kontakt mit der Priener Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat gekommen bin, haben wir beide gemeinsam mit lebeART Magazin Radio Edition die Interview-Reihe "Kölner SexTalk" ins Leben gerufen, die immer montags gesendet wird: Heute startet die Sendung zum zweiten Mal wie immer ab 20 Uhr mit Aktuellem aus der Kölner Region sowie aus aller Welt - von Kultur über Umwelt bis hin zu News aus dem Show-Bizz. <br />Ab circa 20.35 Uhr ist dann unser Interview aus der Reihe "Kölner SexTalk"zu hören, bei dem die Priener Ärztin und Sexualtherapeutin im Gespräch mit der Journalistin Petra Wagner all das erklärt, was Mann und Frau schon immer wissen wollten: In der heutigen Sendung geht es um das brisante Thema "Sexmythen als Sexkiller". <br />Daneben gibt´s natürlich wieder jede Menge bester Musik aus den aktuellen Charts – klickt Euch rein, wir freuen uns auf Euch!</p> <p><a href="https://alpenwelt-tv.de/Nachdem%20ich%20nun%20auf%20der%20Priener%20Gesundheitswoche%20in%20Kontakt%20mit%20der%20Priener%20Ärztin%20und%20Sexualtherapeutin%20Dr.%20Jutta%20Kossat%20gekommen%20bin,%20haben%20wir%20beide%20gemeinsam%20mit%20lebeART%20Magazin%20Radio%20Edition%20die%20Interview-Reihe%20&quot;Kölner%20SexTalk&quot;%20ins%20Leben%20gerufen,%20die%20immer%20montags%20gesendet%20wird:%20Heute%20startet%20die%20Sendung%20zum%20zweiten%20Mal%20wie%20immer%20ab%2020%20Uhr%20mit%20Aktuellem%20aus%20der%20Kölner%20Region%20sowie%20aus%20aller%20Welt%20-%20von%20Kultur%20über%20Umwelt%20bis%20hin%20zu%20News%20aus%20dem%20Show-Bizz.%20%20Ab%20circa%2020.35%20Uhr%20ist%20dann%20unser%20Interview%20aus%20der%20Reihe%20&quot;Kölner%20SexTalk&quot;zu%20hören,%20bei%20dem%20die%20Priener%20Ärztin%20und%20Sexualtherapeutin%20im%20Gespräch%20mit%20der%20Journalistin%20Petra%20Wagner%20all%20das%20erklärt,%20was%20Mann%20und%20Frau%20schon%20immer%20wissen%20wollten:%20In%20der%20heutigen%20Sendung%20geht%20es%20um%20das%20brisante%20Thema%20&quot;Sexmythen%20als%20Sexkiller&quot;.%20%20Daneben%20gibt´s%20natürlich%20wieder%20jede%20Menge%20bester%20Musik%20aus%20den%20aktuellen%20Charts%20–%20klickt%20Euch%20rein,%20wir%20freuen%20uns%20auf%20Euch!%20%20http:/www.koeln-insight.tv/index.php?option=com_content&amp;view=article&amp;id=3348:on-air-lebeart-magazin-radio-edition-immer-montags-ab-20-uhr-online-2&amp;catid=99&amp;Itemid=129" target="_blank">hier geht´s zur Radiosendung</a></p></div> <div class="feed-description"><p><img src="https://alpenwelt-tv.de/images/artikelbilder/logo_lebeart-magazin_Radio_Edition_2.jpg" alt="logo lebeart magazin Radio Edition 2" width="350" height="321" style="margin-right: 10px; 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